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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
48.1986, Heft 1.1986
Seite: 158
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sieht wie eine dürre Kohlstorze, und hebt ihn hoch. Und wie der Lehrer sagt: »Solche
Knochen hat jeder in seinen Beinen drinnen!« - da graust es uns ein wenig.

Wir steigen in das Tal hinab, durch den Gewann, der »im Letten« heißt, queren den
Floßkanal an einem anderen Brücklein, wandern jetzt auf der Sohle des Tales. »Was
wächst da?« - fragt der Lehrer. »Gras, Kraut, Obst.« »Was ist für Boden darunter?« -
»He, Steine!« sagt einer. Schon sind wir in die Kiesgrube eingetreten, wo der alte böse
Sandmacher den Kies gegen das Gatter wirft. Da zeigt der Lehrer mit dem Stock von
oben nach unten, wie die Schichten des Bodens sich lagern: Das Beste obenauf, braune
Erde, wo die Wurzeln der Pflanzen den Wasen bilden, die Würmer daheim sind und die
Larven schlafen. Alles das hat der Fluß vom Schwarzwald her angeschwemmt in vielen
hunderttausend Jahren. Je weiter man dem Feldberg zuwandert, um so größer werden
die Blöcke; am Hang, wo die Wiese entspringt, sind ganz große, je näher dem Rhein, um
so kleiner und reiner. »Was ist das für ein Stein, der Kies da?« - »Granit, Gneis, Quarz,
vom Rollen im Flußbett beim Hochwasser gerundet«.

Nun donnert der Schülertroß über die Holzbrücke des Fabrikkanals. Einige streiten
sich, wie tief er sei, andere wie breit. Einer sagt, sein großer Bruder habe ihn schon ganz
durchschwömmen, von der Stellfalle am Fluß bis zur Turbine bei der Weberei. »Und
mein Großvater hat ihn bauen helfen!« triumphiert ein anderer, »sie bekamen sieben
Kreuzer die Stunde!« Ein Mädchen weint, tupft das Auge mit der Schürze aus: Hier bei
den Weiden ist sein großer Bruder, der Wilhelm, ertrunken. Es hat ihn nie gekannt, aber
er denkt ihm.

Jetzt läuft das dunkle, geschwärzte Wasser des Kanals in den Talfluß und zieht einen
dunklen Strängen in das lautere Wiesenwasser. An den Eisbrechern hängen angeschwemmte
Zweige, Äste, ein Korb und ha, eine tote Katze! Ein Wehr ist unterhalb der
Brücke quer in den Fluß gebaut. Man hört das Wasser hinabtosen und sieht es seitlich
den Kanal füllen, der zur Mühle und zur Papierfabrik zieht, unter schönen Bäumen hin,
wo Frauen und Mädchen baden. Die Brücke wird überschritten. Mutige gucken durch
die Ritzen zwischen den Brettern in das Wasser hinab und sehen da die riesigen Forellen
unbeweglich im Schatten stehen. Vor dem gewölbten Tor eines alten Bierkellers ist echtes
Staunen und Harren. »Es geht ein Luftloch bis auf die Bürglen hinauf!« sagt einer:
»Man hat Steine hinunterwerfen können. Der Keller ist ganz leer - da haben die Zigeuner
übernachtet. Der alte Jäger ist dem Schandarmen ab in den Keller hinein, aber er bekam
Hunger und sagte: 'Nehmt mich um Gottes Willen mit ins Loch, daß ich etwas Warmes
in den Bauch kriege!'« - Da sagt der Lehrer: »Achtgeben! Was ist hier für ein Boden?« -
»Roter!« - »Was ist das für ein Stein?« — »Sandstein!« - »Gut! Was haben wir zuerst gesehen
?« — Dort drüben die Kalkwand schimmert über das Tal: »Kalk!« rufen viele. »Gut,
und dann?« - »Versteinerungen!« - »Und dann?« - »Kies im Tal!« - »Schön, und jetzt?«
- »Sandstein!« - »Was wächst auf dem Sandstein?« - »Buchenwald, Föhren, Tannen,
Farn, Dachruten, Eschen, Brombeeren, Heidelbeeren!«

Wir sind den beiden großen Steinbrüchen, längst aufgegeben, zugewandert. Da hat
man früher die roten Steine gebrochen. Es heißt, am Münster in Basel seien Sandsteine
von Maulburg verbaut worden. Da melde ich mich zaghaft: »Und an der Rheinbrücke
sind Eichen von Maulburg gebraucht worden!« - »So? Woher weißt du das? Bist du sicher
?« - »Ja, der Großvater hat es gesagt!« - Die Kinder lachen, der Lehrer sagt: »Ja, unser
Maulburg! So, jetzt kehren wir um, in die Schule!«

Uber einen schmalen gewundenen Pfad, quer durch das Tal, wandert im Gänsemarsch
das Trüpplein wieder in seinen Schulsaal zurück. Der Lehrer ruft einen Buben, einen
rechten Bauernburschen, heraus: »So Wilhelm, jetzt ziehe deinen linken Schuh aus und
stelle ihn hier auf das Pult!« - Helles lustiges Gelächter! Auf Fuß und Strumpf steht der

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