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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
48.1986, Heft 1.1986
Seite: 167
(PDF, 33 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1986-01/0169
niemand mehr Diener sein will und »Freundschaft« bezeichnet, was früher »Ehe« hieß,
bekommt man mit solchen Liebenswürdigkeiten seine Schwierigkeiten. Als Freund hielt
man sich »frei«, man verstand sich so gut, weil man auch auf Distanz hielt und das »Siezen
« bevorzugte. Und der Diener war: keine Floskel, weil man sich aus freien Stücken
unterordnete, um dem anderen »dienlich« zu sein. Die Nasen wurden damals nicht so
weit oben getragen. Man hat auch weniger die schlichten Leute übersehen, denn man
war ja einer von ihnen und fühlte sich unter ihnen wohl - wie Hebel unter den Kutschern
, von denen er seine Ideen zum Schatzkästlein empfing.

3. Und der Brief ist das Gefährt der Verehrung und der Liebe, der Sehnsucht und
des Leides, der Trennung von der klugen Frau im Weiler Pfarrhaus,

die für ihn immer mehr die Züge seiner Heimat annimmt, ihm die Heimat bedeutet, zusammen
mit der früh verstorbenen Mutter. Da hat er das grad gedichtete Liedlein »So
herzig wie mein Liesele ist gar nichts auf der Welt« des Schwaben Daniel Schubart gesungen
und dem Mädchen in die Augen geschaut - und das Mädchen hat sich zu Tode gewartet
. Aber zwischen fröhlicher Gemeinschaft und Tod lagen für beide Hunderte von Briefen
. 35 Jahre lang ist das zwischen Karlsruhe und Weil hin und hergegangen. Der berühmt
gewordene Mann, der Napoleon, Deutschlands Befreiungskampf, die Einsetzung
der Badischen Verfassung und die toten Formen der Reaktion erlebte, schreibt
ganz unpolitisch alles, was ihn persönlich umtreibt, der seltenen Frau, die immer dort
blieb, wo sie schon immer war, und die sich sehnte nach seiner Gegenwart. »Daß es mir
in Karlsruhe jetzt besser behagt als anf änglich, ist wohl wahr und sehr natürlich. Aber ob
es mir je so lieb werden kann als das Oberland, das ist eine andre Frage. Denn wo mans in
seinem Leben am besten hatte, da sehnt man sich wieder hin. Ich warte jetzt auf Grenzach
. Freilich wird es alsdann mit dem Frieden mit dem Pfarrer von Weil ein Ende haben,
denn Beichtkinder werd ich ihm wenig zuschicken. Doch es ist Zeit, dem Geschwätze
ein Ende zu machen, eh das Sauerampfergesicht kommt. Leben Sie wohl, süße Jungfer
Sauerampfer. Ich bin Ihr ergebenster Freund und Diener Hebel«. Wie gerne würde ich
das Gesicht der Jungfer Sauerampfer bei Erhalt solcher Zeilen sehen! Hebel bewundert
die klaren blauen Augen und ihre Fähigkeit, »stets recht zu behalten« - hat er auch Angst
davor gehabt? Sie besitzt Humor, ihre frauliche Überlegenheit seinem etwas linkischen
Hagestolzentum gegenüber ist oft erfolgreich, wenn es kleine Scharmützel zu bestehen
gilt. Aber sie ist empfindsam wie nur eine Romantikerin und echte Pietistin es sein konnte
. Es ist viel gerätselt worden, warum die beiden sich nicht aneinander gebunden haben.
Das bringt nicht weiter. Mit ihrer großen Brieffreundschaft haben beide ein Zeichen einer
Umgangskultur geschaffen, die ihresgleichen sucht - jedes Liebespaar kann da in die
Schule gehen.

4. Der Brief ist das Gefährt, auf dem die Religion und der Glaube sich in einer
Zartheit äußern, die sich von der Derbheit und Deftigkeit mancher kirchenamtlicher

Äußerungen heute stark unterscheidet.

Solche Kirchenführer müßte man haben. Die Alemannen tun sich öfter mit Kirche
und Glauben schwer, ihre Religion ist im Unterschied zu der nördlich der Mainlinie still
und verhalten.

»Den Augenblick will mir die Frage einfallen, teuerste Freundin, ob es auch recht sei,
am Dankfest (Oktober 1794) frühe vor der Kirche schon Briefe zu schreiben. Die Frage
hat mir gar nicht einfallen sollen. Man redet ja auch mit den Leuten vor der Kirche, und

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