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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
48.1986, Heft 1.1986
Seite: 171
(PDF, 33 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1986-01/0173
die Aufnahme einer weiteren unvermögenden Familie zu kämpfen4^, und die Ortsvorgesetzten
wiesen nachdrücklich darauf hin, »daß der Ort Rümmingen sehr klein und also
die Bürgerschaft und Gemeinds Cassa beschaffen«.

Zusätzlich kompliziert wurde der Fall durch die Schwangerschaft der Braut. Zwar lag
ein ordentliches Eheversprechen vor, das durch den Brautkauf, die Ubergabe von 12
Batzen, besiegelt worden war - eine Sitte, die offenbar im Markgräfischen von den Beamten
noch anerkannt wurde, während sie z. B. in der Herrschaft Heitersheim als »Winkelversprechen
« unter Strafe stand. Voreheliche Beziehungen jedoch wurden nicht geduldet
und, sofern man davon erfuhr, bestraft.

Dennoch war die Obrigkeit, wenn auch nicht aus humanitären Gründen, sondern um
der Ordnung willen, bereit, dem jungen Paar zu helfen. Die markgräfliche Kanzlei wies
am 27. Februar 1776 das Oberamt an, die beiden einem der beiden Dörfer zuzuweisen.
Die Strafe wegen Unzucht wurde einstweilen ausgesetzt.

So hätte also alles gutgehen können, aber dem war nicht so. Wahrscheinlich blieben
die Ortsvorgesetzten von Rümmingen und Sitzenkirch bei ihrer ablehnenden Haltung,
jedenfalls beschlossen die Verlobten, ihr Glück anderwärts zu suchen. Als sich die mark-
gräfliche Kanzlei im Juli nach dem Ausgang der Sache erkundigte, mußte das Oberamt
melden, daß die beiden »deren Aufenthalt dermahlen unbekannt ist____mit einander herumziehen
«, woraufhin der Markgraf die Vollstreckung der bisher ausgesetzten Strafe
anordnete.

Irgendwann wurde man ihrer habhaft und führte sie der Strafe zu. Offensichtlich war,
wie aus späteren Akten hervorgeht, eine Geldstrafe verhängt worden, der Mann mußte
zudem 8 Tage öffentliche Arbeit leisten. Das gemeinsame Kind war übrigens bald nach
seiner Geburt gestorben.

Wo die beiden sich in der folgenden Zeit aufgehalten haben, ist unbekannt. Im Frühjahr
1778 jedenfalls versuchten sie, in Mülhausen im Elsaß Arbeit zu bekommen, und
sprachen beim Pfarrer von Algolsheim wegen der Trauung vor. Schließlich fanden sie eine
Unterkunft in Modenheim. Und am 20. Oktober 17785) wurden sie in der evangelischen
Kirche in Algolsheim getraut, womit sie sich erneut strafbar machten, denn die zur
Eheschließung notwendige herrschaftliche Erlaubnis lag nicht vor.

Bei dieser Gelegenheit wird erneut der ärmliche Stand der jungen Leute deutlich: beide
konnten nicht schreiben und versahen daher den Eheschein mit ihrem Handzeichen,
einem Kreuz. Solches war im 18. Jh. im Markgräfischen wohl die Ausnahme, denn das
Schulwesen war allgemein eingeführt, und es wurden auch Mädchen unterrichtet, wie
aus den Beilagen zu den Rüggerichtsakten hervorgeht, zu denen regelmäßig Schreibund
Rechenproben der Schulkinder gehörten.

Übrigens waren die Beziehungen des jungen Ehepaares zur Heimat nicht abgerissen:
unter den Trauzeugen befand sich auch ein Bruder des Bräutigams, Martin Nußbäume
^. Diese Kontakte könnten die beiden ermutigt haben, eine Rückkehr anzustreben.
Im Juni 1779 stellten sie beim Oberamt das Gesuch, sich wieder in fürstlichen Landen
aufhalten zu dürfen. Als Begründung schreibt der Ehemann, daß er seine Strafe wegen
unbefugten Verlassens des Landes abgebüßt habe, zudem habe er vom Stabhalter in Sitzenkirch
gehört, daß er damit rechnen könne, wieder aufgenommen zu werden. Das war
nun etwas naiv, denn natürlich prüften die Beamten das Schreiben und stellten fest, daß
Nußbaumer keineswegs für das Verlassen des Landes, sondern für den vorehelichen
Umgang mit seiner jetzigen Ehefrau gestraft worden war. Was den Stabhalter von Sitzenkirch
angeht, so stritt dieser selbstredend alles ab, was ihm zur Last gelegt worden
war. Die erzürnte Obrigkeit, die sich belogen fühlte, machte kurzen Prozeß: am 23. Oktober
1779 ließ der Markgraf das Oberamt wissen, daß »wir denselben (Nußbaumer)

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