http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1987-01/0058
Die Anführer der Legion, die mit Hecker nicht einig geworden waren, hatten ihrerseits
beschlossen, am 25. April den Rhein bei Kembs zu überschreiten. Die Hüninger
Abteilung sollte die badische Schusterinsel besetzen, Gräben ausheben und Barrikaden
aus gefällten Pappeln errichten, um einem Angriff besser widerstehen zu können.
Nachdem der badische Aufstand zusammengebrochen war, wollten die Männer auf
der Schusterinsel ihre Stellung nicht verlassen und weiterkämpfen, obwohl Hecker nach
Hüningen gekommen war und erklärt hatte, es habe an allem gemangelt, was zum Erfolg
hätte führen können, und den Patrioten auf der Schusterinsel bleibe als einzige Rettung,
die Waffen niederzulegen und das Asyl Frankreichs anzunehmen.
Französischerseits wollte man unbedingt verhindern, daß es auf der Insel zu Kämpfen
komme. Man wollte den Untergang der Freiheitskämpfer, mit denen man sympathisierte
, verhindern, aber man wollte auch keine Komplikationen mit Deutschland. Es wurden
deshalb zwei Sonderbeauftragte, Robin und Megard, nach Hüningen geschickt, um
mit den deutschen Patrioten zu verhandeln. Es gelang ihnen schließlich, diese zu überzeugen
, daß es besser sei, auf das linke Rheinufer zurückzukehren.
Die 273 Mann übergaben auf der Brücke ihre Waffen dem Hüninger Platzkommandanten
und wurden in der Reitschule untergebracht, wo 200 Strohbündel für sie bereitlagen
. Sie wurden am nächsten Tag von der Grenze entfernt und in Sundgaugemeinden
verlegt.
23) Die wirtschaftliche Lage Mitte des 19. Jahrhunderts
Im Jahre 1848 ließ die Nationalversammlung eine Untersuchung über die Arbeitsverhältnisse
in Industrie und Landwirtschaft durchführen. Aus den Antworten auf den Fragebogen
ergibt sich, daß im Kanton Hüningen die Industrie noch immer gänzlich fehlte.
Es sei daran erinnert, daß das Oberelsaß damals mit an der Spitze der französischen Industrie
stand.
Als mögliche Arbeiten, den Taglöhnern Beschäftigung zu verschaffen, werden solche
erwähnt, die den Rhein weniger gefährlich machen würden, sowie der Unterhalt der
Straßen.
In Hüningen kann eine große Zahl von Arbeitern ihr Brot verdienen beim Umbau der
großen Rheinflöße in kleine für den Kanalverkehr passende Flöße.
Ein Handwerker verdient im Durchschnitt 2 Francs täglich, ein Taglöhner 1,25 Franc,
eine Taglöhnerin 0,75 Franc, ein Kind 0,35 Franc. Als jährliches Mindesteinkommen für
einen alleinstehenden Arbeiter werden 500 Francs angenommen, für eine Familie mit
zwei Kindern 700 Francs. Im allgemeinen wohnt die Bevölkerung in anständigen Wohnungen
und ist gut gekleidet; die Ernährung scheint oft ungenügend. Wohlstand gibt es
im Kanton keinen bei den Arbeitern. Jedoch einzelnen Handwerkern gelingt es, in ruhigen
Zeiten einige Ersparnisse zu machen. Die Taglöhner leben alle an der äußersten
Grenze der Armut.
Eine Besserung der Lage erhofft man nur von einer besseren Schulbildung. Was diese
jedoch betrifft, so wird festgestellt, daß sie sehr vernachläßigt wurde, und zwar aus zwei
Gründen: die ungenügende Zahl und die schlechte Besoldung der Lehrer einerseits, andererseits
die Armut der Bevölkerung, die das Schulgeld nicht bezahlen kann. Der Unterricht
sollte unentgeltlich sein, damit auch das ärmste Kind daran teilnehmen könne.
Nur 20 % der Einwohner, schätzt man, können schreiben und lesen.
Die Revolution von 1848 wie einst diejenige von 1789 brachte keine Besserung in der
Lage Hüningens, dessen Verarmung im Gegenteil zunahm. Die Octroi-Einnahmen
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