Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
49.1987, Heft 2.1987
Seite: 179
(PDF, 34 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1987-02/0181
Februar 1913 erblickte ihr erstes Kind, ein Mädchen, das Licht der Welt. Wie oft wohl
wird der Vater seinem kleinen Kind die Uhr gezeigt haben, wie oft mag das Kind das
rhythmische Ticken des Zeitmessers gehört und mit seinen kleinen Händen danach gegriffen
haben.

Als dann aber im Jahre 1914 der erste Weltkrieg ausbrach, änderte sich auch für die
junge Familie das Leben. Der Mann und Vater wurde vom Vaterland gebraucht und zur
Wehrmacht eingezogen. Die Frau und Mutter erwartete ihr zweites Kind. 1915, im
April, kam ihr kleiner Bub zur Welt. Ihr oblag nun eine doppelt schwere Aufgabe, die
Erziehung der zwei kleinen Kinder und die Betreibung der Landwirtschaft. Eine große
Hilfe hatte sie an ihrem Schwiegervater, der dann auch noch das Küferhandwerk weiter
betreiben mußte.

Die liebe Uhr trug der Mann bei sich. Er konnte nicht ahnen, daß sie auch seine Todesstunde
miterlebte. Am 18. Februar 1918 traf ihn die tödliche Kugel inTahure in der
Champagne in Frankreich. Zwei Wochen später erhielt die junge Frau. Mutter und jetzt
Witwe, von der Kompagnie die amtliche Nachricht vom Tode ihres lieben Mannes und
auch seine persönlichen Sachen. Dabei war auch die Uhr! Wenig nur über sechs Jahre
hatte er sie bei sich getragen. Nun hielt sie diesen ständigen Begleiter ihres Mannes wieder
in den Händen. Was müssen da für Gefühle, Gedanken. Erinnerungen in ihr wach
geworden sein. Wieviele Tränen, wahrscheinlich unzählbare, mag sie vergossen haben,
wenn sie die Uhr in ihren Händen hielt und an die dunkle Zukunft ohne ihn denken
mußte. In dem kleinen Karton, den sie von der Kompagnie mitTodesnachricht und Uhr
zugeschickt bekam, lag sie nun. ohne zu ticken, beinahe wie in einem kleinen Sarg.

Die Zeit verstrich, der Krieg war beendet, die Arbeiten und die Kinder wurden größer
, die Inflation begann mit zerstörerischen Entwertungen. Der Schwiegervater
wurde älter und starb 1922. Die Arbeiten wurden einfach zuviel, so daß sie 1923 eine
zweite Ehe einging. Aus dieser Ehe kamen dann nochmals zwei Kinder, ein Bub und ein
Mädchen. Jahre vergingen, die Kinder wurden groß, die älteste Tochter heiratete 1936,
und der älteste Sohn wurde zum Arbeitsdienst eingezogen, anschließend kam dann der
Dienst bei der Wehrmacht. 1939 brach der zweite Weltkrieg aus, und der junge Soldat
wurde mit einer aktiven Einheit nach Norwegen und Finnland beordert. Er war dort
oben als Kraftfahrer eingesetzt. Die Straßenverhältnisse waren damals in Finnland
nicht optimal, das Rütteln und Schütteln am Steuer vertrug seine Armbanduhr nicht,
sie war außer Funktion. Der junge Soldat schrieb an seine Mutter und bat sie, ihm doch
Vaters Taschenuhr zu schicken, von der er mehr erhoffte. Ohne Zögern gab die Mutter
die Uhr ihrem Sohn. MitTränen in den Augen verpackte sie das Stück und schrieb dazu,
daß sie ihm viel Glück, Gesundheit und eine Heimkehr ins Elterahaus wünsche. Sie
dachte dabei an seinen Vater, dem dieses Glück nicht beschieden war. 1945 war auch
dieser Krieg mit unsäglichen Verlusten beendet und verloren. Die Truppe in Finnland
kam in Kriegsgefangenschaft. Im Sommer des gleichen Jahres kamen die Gefangenen
nach Bad Kreuznach in ein Lager. Unterwegs, auf demTransport, wurde den einzelnen
Soldaten mitgeteilt, daß sie alle Wertsachen verschwinden lassen sollten, weil diese abgenommen
würden. Dies hat auch unseren jungen Soldaten bewogen, sich etwas einfallen
zu lassen. Er schrieb seine Heimatadresse auf einen Fetzen Papier, legte diesen zur
Uhr und wickelte alles in ein Papier. Südlich von Köln, der Zug fuhr langsam, sah er in
einem Garten bei einem Haus eine Frau arbeiten. Er rief sie an und warf dann das Päckchen
in Richtung dieser Frau. Er sah auch noch, daß diese das Päckchen aufhob.

Gegen Ende des Jahres 1945 wurde er aus der Gefangenschaft entlassen und kehrte
ins Elternhaus zurück. Die Wiedersehensfreude war groß, es gab ja so vieles zu erzählen
. Zunächst dachte man in tiefer Trauer an Mutters jüngeren Sohn aus zweiter Ehe.

179


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1987-02/0181