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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 1.1988
Seite: 126
(PDF, 35 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-01/0128
Zusammen mit dem gegebenen Raum - und hierbei wird wieder Scheurers Interesse
an Architektur deutlich - entstehen in der Gestaltung der tragenden, liturgisch bedingten
Elemente Beziehungen zwischen dem Bauwerk und dem darin integrierten künstlerischen
Attribut. Beide ergänzen, vervollständigen sich und streben zur Harmonie und
Einheit. Dies gilt auch vom Gedenkstein oder Mahnmal in der freien Natur, wo etwa
eine Baumgruppe die Funktion des Räumlichen übernimmt.

Aus fest umrissenen objektiven Dingen, aus geformter Materie wird plötzlich etwas
Unerwartetes, wird ein Wunder, das uns anrührt, begeistert, aufhorchen läßt. Auch
und vielleicht gerade moderne Kunst ist so eigentlich in erster Linie kirchliche, religiöse
Kunst. Sie verbirgt und enthüllt unaufhaltsam immer wieder andere Dinge, als wir erwarten
. Damit wird zugleich etwas deutlich und offenbart sich vom Geheimnis des
Glaubens, von der Kirche als der Gemeinschaft der Gläubigen, als dem Geheimnis des
Glaubens an sich.

Nur die Formen solcher Kunst haben sich auch bei Rudolf Scheurers Andeutungen
an symbolhafte Zusammenhänge gewandelt, wie wir auch die Sprache und ihre Begriffe
einer jeweiligen Zeit immer neu prägen und modulieren. Dennoch: das Anliegen
des Künstlers und seines Werkes wie der Botschaft des Evangeliums sind durch die Jahrhunderte
und Jahrtausende gleich geblieben, weil die Nöte und Ängste, die Hoffnungen
und Wünsche der Menschen sich seit je kaum geändert haben.

Wie neue Wortschöpfungen in der Sprache neue Beziehungen und Zustände plötzlich
bewußt und sichtbar machen können, in einem neuen Licht und bisher unbekannter
Perspektive erhellen, so fordert der bildende Künstler durch Ungewohntes mit bis
dahin für unmöglich gehaltenen Formen und Farben uns heraus, um den Blick auf das
uns heute Wesentliche in seiner jeweiligen Aussage zu lenken. Dies umso mehr bei einem
Adressaten, der mit Bildern und Farben übersättigt und damit auf viele Zeichen
unserer Zeit reaktionsunfähig geworden ist.

Der Künstler, dessen Aufgabe es ja auch ist, die Schönheit dieser Welt zu verwalten,
nachdem die anderen Güter dieser Erde bereits vergeben waren, als er erwachte, er
muß der Einladung Gottes geradezu folgen, in seinem Himmel mit ihm zu leben, um
von dort seine Botschaft den Menschen zu verkünden. Er weiß um diesen Himmel auch
dort, wo er als erdgebundener Mensch nun einmal leben muß: auf blumigen Wiesen,
am Ackersaum, zwischen blühenden oder fruchtbeladenen Obstbäumen oder am
Rande geheimnisvoller Wälder. So wird er unversehens zum Angelus, zum Boten Gottes
in einer Welt, wo sich der Mensch nur allzugerne als Herr und Schöpfer dieser Erde
sieht.

Wie der Künstler dieses himmlische Erlebnis auf Erden in seine Sprache umsetzt und
so auf seine Weise Glaubensbekenntnisse formuliert, ist sein besonderer, ganz persönlicher
Beitrag zur Interpretation des Weltbildes des modernen Menschen. Mit seinem
künstlerischen Gespür nimmt er die Botschaften als ein solcher Angelus auf, sammelt
die Gaben des großen Schöpfers und schenkt uns seine Erfahrungen und Erlebnisse in
der Transparenz seiner inneren und äußeren Schau. In dieser Tätigkeit Gott ähnlich zu
werden, verbirgt sich ein geheimer, aber ebenso hoher wie gefährlicher Anspruch, vor
dem warnend zugleich das uralte Bild von der Versuchung, vom Baum der Erkenntnis
zu pflücken, steht.

Kein Sonderling ist der Künstler und keine Erscheinung für sich. Er lebt eigentlich in
jedem Menschen wie in allen Geschöpfen der Natur, denen er sich verwandt und verpflichtet
fühlt. So führt sein Umgang mit der Natur mitten hinein in jene Gemeinschaft,
von der wir alle nur Teil sind und die wir noch nie so unmittelbar empfunden haben wie
in den Tagen, als das Wort "Umwelt" zu einem existenziellen Problem dieser Zeit ge-

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