http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-02/0021
war. so unsichtbar war sie - Ich steckte mein Bleystift. das ich hätte küssen mögen, ein.
Madame H. nahm das Blätchen. und wir traten unsre Spazierreise hoffnungsvoll an.
Die erste Schildwache rief: "Halte!" Man wies das Blätchen - "Passes"! - So giengs bey
der zweyten und dritten Wache, welche letztere aus der Ferne mit Macht schrie - Madame
H. gieng ihr entgegen, wies ihr Billet - und auch Diese hatte nichts mehr einzuwenden
. - obgleich sich noch einige Marggräflerinnen. die Himbeeren in Basel verkauft
hatten, an uns anschlössen. Diesen gab ich meinen schwerbeladenen Ueberrock.
ins nächste Pfarrhaus, das schon vorher berichtet war, ab - "Ueber die Grenze hinaus
allso? Wirklich allso nicht mehr unter fränkischem Gebiete". Wie war mir? - Ich suchte
mich in der ruhigsten Stimmung zu erhalten, mich recht auf diese nie wiederkommenden
, süssen. heiligen Momente zu fixieren. und sie mit der möglichsten (Gourmandise)
Genusseslust nachdenksam zu geniessen.
Man muß gewissen einzigen Momenten seines Lebens durch Nachdenken gleichsam
Unsterblichkeit zu geben wissen: Meine Empfindungen waren denen ähnlich, die mein
Herz erfüllten, da mein Freund Geßner 111 mein Tochtermann geworden. Kaum durfte
ich es vor Freude glauben. Schattenbilder, freylich nur schwache Schattenbilder, wie
mir einst nach der Erlösung aus dieser Hülle seyn wird, wenn ich das grosse Wort:
Ueberstanden - aussprechen darf - waren meine Empfindungen.
Wir wandelten dann fort, und trafen auf dem Wege nach Hausingen die beyden Brüder
Pfarrer Hitzig12) an. giengen ins Pfarrhaus ' dort, das freylich ärmlich aussähe, wo
aber doch Fleiß. Ordnung, Freundlichkeit und Hospitalität zu Hause war. Es war unmöglich
- leutseliger behandelt, und schneller und besser bedient zu werden: Zur Beschämung
gütig war Alles.
Der offene Wagen, der mich weiter bringen sollte, war bald in Bereitschaft. - Noch
schrieb ich an Freund H. 14) eine Zeile von meiner glücklichen Hinüberkunft. und bath
ihn - vornehmlich meiner Freunde wegen, deren Befreyung ich meinen Befreyern dringend
und mit der beßten Hoffnung empfahl, die Sache vor ein PaarTagen in Basel nicht
bekannt werden zu lassen.
Herzlich nahm ich von meinen Wohlthätern und Befreyern Abschied - und setzte
mich dann mit meinem Regenschirm auf den offenen Müllerwagen - Der Sitz war sehr
übel, und zerbrach bald - der Regen war stark - der Weg elend, dennoch war meine
Seele heiter - obgleich ich mich auch nur erträglich zu setzen unaufhörliche Mühe
hatte.
Daß ich eine Sünde begangen hätte, auf diese Weise meine Freyheit gesucht und gefunden
zu haben, wie einige wenige äusserst schwachmüthige Freunde wähnen wollten
, daran konnte mir und kann mir wohl kein Sinn kommen - Ich war keinem Arrest
entflohen - hatte keine Gesetze oder Verbote übertreten, stand nicht in der allergeringsten
Verbindlichkeit gegen die fränkische Nation, hatte keine Verbindlichkeit in die Barmke
zu gehen, und dem Offizier anzuzeigen, daß ich nicht Willens sey, zurückzukommen
- das Zurückkommen lag durchaus nicht in meiner Pflicht - vielmehr lag es darin.
Alles mögliche zu thun. um an den Ort zurückzukehren, wohin ich gehöhrte. Auch
ward niemand dadurch gefährdet - Ob drey oder vier Personen zurückkämen, daran
konnte niemandem das mindeste liegen - und die ganze Sache gieng so leise, unbefangen
und unmerklich zu - daß an keine üble Folge zu denken war. Dieß sag' ich. lieber
Freund, nicht Ihnen, sondern denen, die diesen Brief allenfalls lesen und schwach genug
seyn mögten. etwas unedles oder unmoralisches in dieser allernatürlichsten Sache
zu finden.
Durch und durch naß. unanschaubar beynahe. langte ich bey der Papiermühle zu
Schopfheim 1~> an - hielt einen Moment, und fragte einem Gasthofe nach.
19
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-02/0021