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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 2.1988
Seite: 51
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Regionalisierung und damit der damaligen französischen Republik durchaus wesensfremd
gewesen. Als 1920 dem Generalkommissariat nur ein "conseil consultatif" beigegeben
wurde, war das Scheitern solcher Pläne bereits besiegelt, obgleich sie noch bis
1924 diskutiert wurden. Die Assimilationspläne schließlich zielten auf die Angleichung
der Rechtsverhältnisse sowie die Verbreitung der französischen Nationalsprache. Für
letzteres hatte man rund 1.500 Lehrer aus Innerfrankreich ins Land geholt, die weder
bereit noch in der Lage waren, auf die besonderen Voraussetzungen ihrer Schüler einzugehen
.

Die schwelende Unzufriedenheit kam 1924 zum offenen Ausbruch, als das Kartell
der Linksparteien die Wahlen zur französischen Nationalversammlung gewann, während
die Elsässer wie immer mehrheitlich für bürgerliche Parteien gestimmt hatten.
Der neue Ministerpräsident Herriot verkündete nun die Absicht seiner Regierung, die
"Gesamtheit der republikanischen Gesetzgebung" auch im ehemaligen Elsaß-Lothringen
einzuführen und damit alle noch bestehenden Unterschiede zum übrigen Frankreich
zu beseitigen. Das bedeutete konkret die Aufhebung des napoleonischen Konkordats
und die Einführung der Laiengesetze von 1905, vor allem die Entfernung der Orden
aus dem Schulunterricht, außerdem Französisch als alleinige Unterrichtssprache
und das Ende des Generalkommissariats. Diese Ankündigung wurde der Funke im Pulverfaß
. Selbst der sehr französisch gesinnte neue Bischof von Straßburg. Monseigneur
Ruch, ging jetzt mit auf die Barrikaden. Der katholische Klerus rief zu einem Schulstreik
sowie zu einer Unterschriftenaktion auf. die von einer so großen Mehrheit unterstützt
wurden, daß die Regierung vorerst auf die Durchsetzung ihres Programms verzichtete
. Lediglich das Generalkommissariat wurde aufgelöst.

Trotz dieses Nachgebens der Regierung beruhigten sich die Gemüter nun nicht mehr
- im Gegenteil: Bis zum Vorabend des Zweiten Weltkriegs wurde der Autonomismus,
der Kampf um Zweisprachigkeit. Sonderrechte und Selbstverwaltung im Rahmen der
französischen Republik, zum beherrschenden Thema der elsässischen Politik. Es
wurde von der 1925 gegründeten Zeitschrift "Die Zukunft" leidenschaftlich und wirkungsvoll
vertreten. Pfingsten 1926 sammelten sich die führenden Heimatrechtler - Dr.
Ricklin, der ehemalige Landtagspräsident, Joseph Rosse. Jean Keppi. Paul Schall, um
nur die wichtigsten zu nennen, im überparteilichen "Heimatbund". 1927 gründeten
Karl Roos. der Landessekretär des "Heimatbundes", Schall und andere die radikal au-
tonomistische. bisweilen schon separatistische "Landespartei". Das war für die Pariser
Regierung, die all diese Vorgänge als Verschwörung gegen Frankreich wertete, der
letzte Anstoß zum Eingreifen. Ende 1927 wurden die "Zukunft" und andere autonomi-
stische Zeitschriften verboten: am Heiligen Abend führte die Polizei in einer Blitzaktion
mehr als hundert Haussuchungen durch. "On leur a bien arrange leur petite fete
boche". bemerkte dazu das Journal dAlsace-Lorraine.19' Bis März 1928 waren bis auf
drei, unter ihnen Karl Roos. die sich rechtzeitig in die Schweiz oder nach Deutschland
hatten absetzen können, alle führenden Heimatrechtler verhaftet. Die Parlamentswahlen
, die in dieser gespannten Lage im April abgehalten wurden, brachten eine Sensation
: Nicht nur gehörten zwei Drittel der elsässischen Kammerabgeordneten dem auto-
nomistischen Lager an. sondern zwei von ihnen. Ricklin und Rosse, wurden aus der
Haft heraus in die Nationalversammlung gewählt! ZweiTage nach diesen "Protestwahlen
" begann am 1. Mai 1928 in Colmar unter ungeheurer Erregung der Öffentlichkeit
der Komplottprozeß gegen die Inhaftierten. Er führte zu recht milden Verurteilungen
für Ricklin. Rosse. Fashauer und Schall, zu Freispruch für die übrigen Angeklagten.
Karl Roos kehrte daraufhin zurück und erzwang die Wiederaufnahme seines Verfahrens
vor dem Schwurgericht in Besancon. das ihn 1929 freisprach.

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