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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 2.1988
Seite: 53
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-02/0055
Die Frage nach dem beiderseitigen Verhältnis stellt sich für die gesamte Zwischenkriegsepoche
auch im umgekehrten Sinne: Welche Haltung nahm die amtliche deutsche
Politik gegenüber dem verlorenen Reichsland und seiner Heimatbewegung ein? Immerhin
ist ja die Deutung möglich, daß diese mit der Verteidigung des Partikularismus,
in erster Linie der Sprache, aber auch der Rechtsverhältnisse und des mühsam erkämpften
landespolitischen Handlungsspielraums die Erhaltung des deutschen Erbes
zum Ziel hatte. In der Weimarer Republik setzte sich 1922 die Auffassung des Auswärtigen
Amtes durch, daß es sich bei den Elsässern nicht um eine deutsche Minderheit
handle.201 Im Vertrag von Locarno 1925 hat das Deutsche Reich dann auf eine Grenzveränderung
im Westen und damit auf Elsaß-Lothringen verzichtet. Wenn dennoch
über Dr. Ernst beträchtliche Zuwendungen des Auswärtigen Amts an die heimatrechtlichen
Parteien und Presseorgane flössen, dann diente dies in erster Linie der Förderung
deutscher Kultur im Ausland. Zugleich aber bedeutete eine aktive Autonomiebewegung
eine innere Schwächung Frankreichs: hier tat sich die Möglichkeit auf, als Preis einer
Distanzierung Deutschlands französische Zugeständnisse gegenüber der deutschen
Revisionspolitik im Osten zu fordern. An diesem Konzept änderte sich auch nach der
nationalsozialistischen Machtergreifung nichts. Hitler hatte kein Interesse an dem
Ländchen zwischen Rhein und Vogesen. er gehörte wohl eher zu denjenigen, "die für
die Elsässer nur das Schimpfwort 'Wackes' übrig hatten".211 Er wünschte eine Verständigung
mit Frankreich, um seine weitgreifenden Eroberungspläne im Osten unbehelligt
verwirklichen zu können: dafür war der mit dem Gestus staatsmännischer
Verantwortung vorgetragene Verzicht ein wohlfeiler Preis. Erst der deutsche Sieg
über Frankreich 1940 hat dann ganz andere Absichten gegenüber dem Elsaß hervorgebracht
.

Nach der französischen Kriegserklärung im September 1939 wurde die Bevölkerung
aus dem grenznahen Gebiet einschließlich der Stadt Straßburg in die Dordogne und das
Zentralmassiv evakuiert: betroffen war etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Fünfzehn
führende autonomistische Politiker wurden verhaftet und in das Militärgefängnis
von Nancy gebracht, einer von ihnen. Karl Roos. im Februar 1940 wegen angeblicher
Spionage erschossen. Das war nicht nur ein Verbrechen, sondern auch ein politischer
Fehler; denn nun gab es im Elsaß einen "Märtyrer für das Deutschtum", dem die nationalsozialistische
Propaganda wenig später einen regelrechten Kult bereitete. Zwischen
dem 15. und 18. Juni überrannte die Wehrmacht das Elsaß. Mit ihr taucht auch der badische
Gauleiter Robert Wagner in Straßburg auf. um dort als Chef der Zivil Verwaltung
die Macht zu übernehmen. Er hat einen geheimen Auftrag Hitlers in derTasche, das Elsaß
innerhalb von zehn Jahren restlos einzudeutschen. Das Land - diesmal ohne Lothringen
- wird dem neuen Reichsgau Baden-Elsaß zugeschlagen, der einmal "Oberrhein
-Gau" heißen soll: eine völkerrechtlich verbindliche Annexion ist allerdings nie erfolgt
. Die "Nanziger", wie man die inhaftierten Heimatrechtler jetzt nannte, wurden
im Triumphzug nach Drei-Ähren gebracht, danach durch das ganze Land kutschiert,
um der Bevölkerung in Massenveranstaltungen die neuen Verhältnisse schmackhaft zu
machen. Allerdings dachten Wagner und seine badischen Gefolgsleute, die sich inzwischen
im Land breitgemacht hatten, keineswegs daran, den befreiten Führern der Autonomiebewegung
das Feld zu überlassen - nur fünf von ihnen brachten es später zum
Kreisleiter. Von der Vichy-Regierung wurde die Rückkehr der Evakuierten verlangt:
etwa zwei Drittel von ihnen kehrten ins Elsaß zurück. "Heimkehrer, willkommen in der
deutschen Heimat!". "Seid gegrüßt in Großdeutschland!", "Das deutsche Straßburg
heißt euch willkommen!" war auf Spruchbändern im Straßburger Hauptbahnhof zu lesen
; Wehrmachtssoldaten trugen die Koffer.

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