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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 2.1988
Seite: 67
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-02/0069
Männer, die in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts als Söldner in England verkauft
worden sind, um in Nordamerika im sog. Unabhängigkeitskrieg gegen die entstehenden
USA zu kämpfen.

"Vorbericht:

Schon im Jahre 1817, alsTheuerung im Lande war. ergriff viele die Lust, nach
Nordamerika zu wandern: doch glückte damals (wenigstens in dieser Gemeinde
:) die Auswanderung nicht recht. Einige verkauften zwar ihr Hab und
Gut. wurden aber wieder reufällig, wie z. B. die Familie des Schneiders Aloys
Eckert, die aber endlich doch ano 1847 auswanderte: andere kamen auf der
Reise nicht fort und kehrten zurück, wie z. B. die Familie des Simon Baumann
Ehemann der Maria Elmlinger, des Bernhard Gutgsellund des Conrad Gutgsell
etc."251

Der langjährige Pfaffenweiler Ortsgeistliche von Kleiser bezog sich hier auf die nach
Mißernten und Unwettern 1817/18 ausgebrochenen Not- und Hungerjahre, die zum unmittelbaren
Auslöser der ersten großen süddeutschen Auswanderungswelle des 19.
Jahrhunderts wurden. Die Folgen der Napoleonischen Kriege, die finanziellen Belastungen
der "Zehntablösungen' und ganz allgemein die völlige Neuorganisation des
1806 entstandenen Großherzogtums Baden bekamen vor allem die unteren Bevölkerungsschichten
sehr deutlich zu spüren. Zahlreiche Gemeinden standen durch die zu
leistenden Ablösungssummen für alte Frohnden und Abgaben am Rande des Ruins.
Der allgemeine Geldmangel traf vor allem Handwerker. Kleinbauern und Taglöhner.
für die keine Aufträge mehr zu finanzieren waren und die ihre Produkte nicht mehr verkaufen
konnten.

Die Gemeinden hatten für ihre mittellosen Mitbürger zu sorgen und für Nahrung.
Mieten. Kleidungsstücke. Arztkosten. Schulgebühren und Pflegegelder aufzukommen
. Mit verschiedenen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen' vor allem im Straßen- und
Wegebau wurden auf Gemeindekosten vorübergehend Arbeitsmöglichkeiten eingerichtet
. In größter Not sind vielerorts "Suppenanstalten' zur Speisung der Armen eingerichtet
worden, mit denen besonders in den Monaten vor der nächsten Ernte Tausende
von Menschen verköstigt worden sind. 1847 wurden allein in Pfaffenweiler von März
bis Juli nahezu 20.000 Portionen Armensuppe an insgesamt 127 berechtigte Ortsarme
ausgegeben. Rechnet man eine Portion zu 3 Kreuzern, macht dies einen Gesamtaufwand
von 1000 Gulden.:6) Alternativ hätte mit diesem Betrag die Reise für zwei fünfköpfige
Familien nach Nordamerika finanziert werden können - ohne zu befürchtende
Folgekosten für die Armenkasse. Nicht verwunderlich, daß unter diesen Bedingungen
Auswanderungen zunehmend zu einem probaten Mittel zur Lösung sozialer Probleme
werden konnten.

Der Staat hatte bis zur Jahrhundertmitte mit der Erleichterung der (wenige Jahrzehnte
vorher verbotenen) Auswanderung die juristischen Voraussetzungen geschaffen
, daß der endgültige Wegzug in die Fremde zu einem Massenphänomen werden
konnte.

Zur Einschätzung des Gesamtphänomens reicht die schlichte Betrachtungsweise gemäß
Ursache-Wirkung nicht aus. Die abwandernden Ortsarmen waren in ihren Herkunftsorten
längst zu Heimatlosen geworden. Sie konnten sich - wie sehr viele ihrer
Zeitgenossen - im Hier und Jetzt keine bessere Zukunft mehr denken und hatten weder
etwas zu verlieren noch etwas zu erwarten. Ihr Status war auf das Anspruchsrecht des
Ortsbürgers gesunken. Als Bittsteller waren sie nur mehr geduldet und doch zum Ver-

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