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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 2.1988
Seite: 68
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bleib im Heimatort gezwungen, falls sie im Land leben wollten, da sie nur hier Unterstützung
zu beanspruchen und zu erwarten hatten. In den abwertenden Kommentaren
der Gemeindeversammlungsprotokolle nicht nur Bremgartens wurden sie als 'arbeitsscheu
* und 'faul' charakterisiert. Eine Verfahrensweise. mit der die reale Lage zur privaten
Schuld des einzelnen weg-erklärt wird. Diese vereinfachende, Ursache und Wirkung
vernachlässigende Betrachtungsweise, mag in Einzelfällen den Kern getroffen haben
, sie gilt jedoch nicht für die Mehrzahl der Betroffenen. Allein die Tatsache, daß sie
die Initiative zur Auswanderung ergriffen haben, stellt die behaupteteTrägheit mehr als
in Frage. Und alle haben mit dem Aufgeben ihres Rechts auf Gemeindeunterstützung
ihre Lebensversicherung aufgegeben.

Insgesamt können die angedeuteten Zusammenhänge vielleicht ein Erklärungsmuster
für die erhebliche Anzahl der in den Jahrzehnten von 1840 bis 1870 ausgewanderten
Ortsbürger ergeben.

Aus Pfaffenweiler verließen mehr als 300, aus Ebringen und Bremgarten jeweils
über 200 und aus Hartheim über 100 Menschen auf Dauer ihren Geburtsort. Die überwiegende
Mehrzahl tat dies mit dem Ziel Vereinigte Staaten von Amerika.

4. "...mit Staatserlaubniß und Reisepaß". Gesetzmäßige Auswanderungen.

Die Gruppenauswanderungen auf Gemeindekosten wurden im Rahmen bestehender
Gesetze organisiert und durchgeführt. Diese Auswanderungen "mit Staatserlaubniß
und Reisepaß" 21) hatten in der Regel etwa folgenden Ablauf:

a) Der Auswanderungswillige stellte bei der Gemeindevertretung seinen Antrag.
Diese leitete das Gesuch schriftlich an das zuständige Bezirksamt zur Genehmigung
weiter.

b) Bestanden keine Einwände, wurde eine Schuldenliquidation eingeleitet und das
Auswanderungsvorhaben hierzu öffentlich bekannt gemacht, um allen Gläubigern
die Möglichkeit zu geben, ihre Ansprüche anmelden zu können.

c) Die Vermögenswerte wurden aufgelöst. Für Minderjährige ist ein Teil des Vermögens
oftmals zurückbehalten worden, bis diese volljährig waren.

d) Im Falle armer und mittelloser Auswanderer war über eine evtl. Unterstützung
durch die Gemeinde zu entscheiden.

Ledigen Müttern zahlten die Gemeinden häufig statt der fortwährenden Unterstützung
eine einmalige Abfindung als Reisegeld.

e) Mit einem Agenten wurden die Reiseverträge abgeschlossen. Ein Reisepaß wurde
beantragt.

Für die konzessionierten Agenten war die Durchführung von Reisevorhaben für Auswanderer
ein durchaus lohnendes Geschäft. So ist es nicht verwunderlich, daß der
Kaufmann Kisling aus dem Dorfe Eschbach neben seinem Kolonialwarenladen noch
eine Auswandereragentur betrieb. Die umliegenden Orte ließen zahlreiche Vertragsabschlüsse
erwarten, wie unsere Beispiele aus Ebringen und Bremgarten zeigen.

Die reinen Fahrtkosten betrugen für die 94 Bremgartener 6.543 Gulden. Mit den
Aufwendungen für die nötigen Gebrauchsgegenstände. Kleider und dem Startgeld beliefen
sich die Gesamtkosten für die Gemeindekasse auf 7.311 Gulden und 25 Kreuzer.
Für einen Erwachsenen (hier ab dem 13. Lebensjahr) betrugen die Reisekosten von
Krozingen bis New York 75-80 Gulden.

Zum Vergleich sei nur darauf verwiesen, daß der damalige Wochenverdienst eines
Maurers aus höchstens 3 Gulden bestand.


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