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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 2.1988
Seite: 97
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-02/0099
Ältere Menschen, die ich auf jene Zeiten ansprach, erinnern sich noch an die Inflationsjahre
. Wenn auch schon 65-70 Jahre seither vergangen sind, die Erinnerungen an
jene schlimme Nachkriegszeit sind geblieben.

Wie schon erwähnt, hatte die Verknappung des Kleingeldes schon von 1920 an Städte
und Gemeinden zur Herausgabe eigenen Geldes gezwungen. Aber inzwischen gingen
auch Geld-Institute. Industrie-Betriebe, ja sogar Vereine aller Art dazu über. Notgeld
für den Eigenbedarf zu drucken. Es gab nun Notgeldscheine ab 1 Pfennig.
2,3,5.10.20,25 bis 99 Pfennige. 1 Mark aufwärts, zunächst bis 5.-.10.- und 20.- Mark.
Der Staat mußte gezwungenermaßen dulden, daß damit das wichtigste Monopol des
Staates, das Noten-Ausgaberecht, zu einer Illusion wurde.

Die am Anfang in einfachster Druckart hergestellten Notgeldscheine wurden in Graphik
und Gestaltung immer mehr vervollkommnet. Aus Geldscheinen wurden schöne
Gemälde, kleine Kunstwerke boten sich dem Betrachter. Viele Ortschaften gaben
ganze Serien heraus, die auf der Vorderseite wohl den Geldcharakter wahrten, auf der
Rückseite jedoch geschichtliche Ereignisse. Ortsansichten. Landschaften oder berühmte
Persönlichkeiten mit ihren Werken darstellten.

Viele junge und auch ältere Menschen sammelten diese schönen Notgeldscheine,
denn es gab etwas, das es schon immer gab und immer geben wird, solange Menschen
diese Erde bevölkern: den Sammlertrieb. Viele Ausgaben waren nur kurze Zeit gültig
und oft nur an den betr. Ausgabeorten. Händler hatten diese Situation erfaßt und sich
darauf spezialisiert, einen blühenden Handel mit Notgeld zu treiben. Den Nutzen aus
dieser Sammlerleidenschaft hatten in erster Linie die Städte und Gemeinden, denn es
gab dadurch einen erheblichen Rückfluß in die geschröpften Kassen.

Das Drucken von Notgeldscheinen wurde für Firmen aller Art immer mehr zu einem
ergiebigen Geschäft, ganz besonders natürlich für die "Jünger Gutenbergs", für die
Druckereien.

Am 17. Juli 1922 machte die Regierung diesem Spuk ein plötzliches Ende! Es durften
ab sofort keine Bilderserien mehr gedruckt werden. Trotz dieses Verbotes wurde in der
Folgezeit noch viel Notgeld in ähnlicher Aufmachung unter die Leute gebracht. Eine
Meisterleistung vollbrachte ein Mann in Mecklenburg, der es fertigbrachte. 1922 insgesamt
70 Städte und Gemeinden unter einen Hut zu bringen. In Mecklenburg-Schwerin
und Mecklenburg-Strelitz erschienen 70 Serien Kleingeldscheine (10,25 und 50 Pfennig
), zusammen 210 verschiedene Darstellungen und Zitate des mecklenburgischen
Dichters Fritz Reuter. Diese Scheine waren nur für Sammler von Notgeld bestimmt und
sind für sich schon eine schöne, lückenlos auch seltene Spezialsammlung.

Im selben Jahre erhielten viele Städte und Gemeinden die staatliche Genehmigung.
Geldscheine im Werte von 50 Mark und mehr zu drucken. Was im Juli 1922 mit Werten
bis zu 1000 Mark begann, steigerte sich schon Anfang 1923 auf 100 Tausend Mark-
Scheine. Dann wurden daraus Millionen, dann Milliarden und ab 1. November gab es
die ersten Billionenscheine. (1 Billion ? siehe Tabelle 1)

Die Phantasie der Herausgeber von Notgeld kannte schon lange keine Grenzen
mehr. Papiergeld allein genügte nicht mehr. Es gab auch wunderschöne Münzen aus
Ton. Steingut, aus rotem, braunem und weißem Porzellan, meist aus Meißen, letztere
gekennzeichnet mit den gekreuzten Schwertern. Die Stadtsparkasse Bielefeld brachte
Geldscheine heraus, die nach Japan. Amerika. Australien und in viele Länder Europas
exportiert wurden. Die auf Leinen. Seide und Samt gedruckten Scheine wurden zum
Teil mit Stickereien. Spitzen und Borten versehen. Dies und die bunte und motivreiche
Ausführung machten das Bielefelder Notgeld zu einem Renner ohnegleichen. Der
Wert als Sammelobjekt übertraf schon beim Druck den aufgedruckten Geldwert.

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