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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 2.1988
Seite: 125
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-02/0127
den Zeller Sprengstoffvorgängen Beteiligten die Voruntersuchung wegen Hochverrates
durchgeführt.

Augenzeugen aus Zell berichteten, daß am Morgen des 29.10. eine Hundertschaft
motorisierter und berittener Schutzpolizei in Zell aufkreuzte und sofort gezielt Verhaftungen
vornahm. Einer der berittenen Polizisten soll dem Vernehmen nach mit seinem
Pferd sogar über die steile Ecktreppe ins "Gasthaus Adler" hineingeritten sein. Die in
Zell verhafteten Kommunisten wurden ins Rathaus verbracht. Nach entsprechender
Vernehmung erfolgte unter Sicherheitsbedeckung die Verladung auf Lastwagen direkt
an der Rathaustür und der Abtransport ins Gefängnis. Es erfolgten insgesamt 60 Verhaftungen
. Etwa 40 Verdächtige wurden nach weiterer Vernehmung in Lörrach entlassen
. Der Kopf der Zeller Aufruhrbewegung ist am darauffolgendenTage in Lörrach verhaftet
worden. Einigen der Aufrührer gelang die Flucht über die benachbarte Schweiz
nach Südamerika bzw. Rußland. Ein weiterer tauchte unter und fristete ca. ein Jahr
lang als Hausierer sein Dasein, bis auch er verhaftet wurde.

In einem aufsehenerregenden Prozeß verurteilte das Reichsgericht Leipzig in Freiburg
insgesamt 31 an diesem Aufruhr beteiligte Kommunisten wegen Verbrechen oder
Vergehen gegen den § 86 des Strafgesetzbuches (Vorbereitung zum Hochverrat), gegen
das Republikschutzgesetz (Teilnahme an einer staatsfeindlichen Verbindung), wegen
Verbrechen und Vergehen gegen das Sprengstoffgesetz, wegen Anstiftung, Beihilfe
oder Teilnahme an schwerem Diebstahl zu Gefängnis- und Zuchthausstrafen zwischen
3 Monaten und 8 Jahren. 17 der 31 Verurteilten stammten aus Zell im Wiesental. Es waren
überwiegend Bau- und Textilarbeiter sowie ein Journalist und ein Lehrer. Gegen
zwei weitere Aufrührer, die, wie bereits ausgeführt, geflüchtet waren, wurde nicht verhandelt
. Daß zumindest das geistige Haupt der Zeller Aufruhrbewegung aus ideellen
Motiven handelte, mag dieTatsache erhellen, daß er sich aus dem Zuchthaus heraus gegen
Gnadenersuche von außen her mit dem Argument wehrte, daß an ihm Unrecht verübt
worden sei und er jegliche Gnade als Erniedrigung seiner Person betrachte. Er
schrieb u.a., daß er es nach wie vor als seine Pflicht und Schuldigkeit erachte, für das
Proletariat einzutreten, so wie er es in der seinerzeitigen Situation getan habe.

Interessant ist es, in diesem Zusammenhang den weiteren Lebensweg der Verurteilten
zu verfolgen. Während das Haupt der Bewegung nach Verbüßung seiner Strafe seiner
Überzeugung treu blieb, in die Schweiz emigrierte und erst nach 1945 wieder nach
Deutschland zurückkehrte, gab es andere, die sich neutral verhielten und politisch
nicht mehr in Erscheinung traten. Einzelne, die ihrer Überzeugung treu blieben, gerieten
in die Mühlen der Nazijustiz. KZ-Haft, teilweise bis zum Ende des 2. Weltkrieges
im Mai 1945, waren die Folge. Es gab auch einen, der "kollaborierte" und es in der
NSDAP zu Rang und Namen brachte.

Das Engagement der Kommunisten in Zell für die Sache des Proletariats hat politisch
lange nachgewirkt. Immer wieder gab es bei Wahlen, sei es im 3. Reich oder in der jungen
deutschen Demokratie, Wahlergebnisse, die überraschten. Die Nazis konnten es anläßlich
der Ja-Nein-Wahl beim Anschluß Österreichs 1938 bei der Bildung des großdeutschen Reiches
fast nicht verschmerzen, daß es in Zell 118 Nein-Stimmen gab. Nicht minder interessant
ist es. daß anläßlich der ersten Kommunalwahl nach dem 2. Weltkrieg die KPD zweitstärkste
Partei im Kommunalparlament war. Noch bis weit in die 70er Jahre hinein wurde
ein engagierter Kommunist mit beachtlicher Stimmenzahl ins Kommunalparlament gewählt.

Quellen:

Karlheinz Mundhenke: Der oberbadische Aufstand vom September 1923

Stadtarchiv Zell i.W.

MarkgräflerTagblatt

Mündliche Überlieferung älterer Mitbürger.

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