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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 2.1988
Seite: 129
(PDF, 36 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-02/0131
Realitäten der "Hausfreund" den Hersfelder Bürgern zumißt, enthüllt die ironische
Bemerkung über eine, "denen das Alte besser gefiel als das Neue". Napoleon übt nach
Hebel die legale politische Macht in Hessen aus, Widerstand gegen die erst vor kurzer
Zeit entstandenen neuen Machtstrukturen ist außergesetzlich, ja illegal. Das Prinzip
der Legalität dominiert vor der politischen Legitimität. Eine auch nur ansatzweise an
der französischen Revolution sich orientierende politische Doktrin der Differenzierung
in Legalität und Legitimität oder eine "moderne" Denkweise in politischen Kategorien
wie "Widerstandsrecht" ist bei Hebel nirgends auszumachen. Er bleibt in seinem
politischen Denken "prärevolutionär" und somit - ein Paradoxon - letztendlich
der französischen "Ideologie" fremd. Anders gesagt: Napoleon als Gesetzesüber-
winder!

Konsequenterweise fehlt im "Rheinländischen Hausfreund" auch jegliche politische
Legitimation für denTiroler Freiheitskämpfer Andreas Hof er und seine Insurgenten gegen
Napoleon. Für Hebel bleiben diese Rebellen, die ihre Heimat dem Würgegriff des
übermächtigen französischen Feindes mit Waffengewalt entreißen wollen, schlechthin
Abenteurer. Und Napoleon macht als Beschützer des Rechts eine ausgezeichnete Figur
!

Es ist schon nahezu ironische Häme, die aus der Kalendererzählung "Andreas Hofer
" und aus dem ansonsten so sensiblen und einfühlsamen Bildermann abstrahlt, wenn
er nach Hofers Gefangennahme und dessen von Napoleon persönlich angeordneter
Hinrichtung in der letzten Geschichte des Jahrganges 1812 schreibt:"In solchen Wassern
fangt man solche Fische."

Doch darf man in letzter Konsequenz Hebel hier nicht mißverstehen. Er ironisiert
und polemisiert, doch entspringt seine Aversion gegen Hofer purem politischen Kalkül
und keineswegs mephistophelischer Denkweise. Walter Benjamin1' geht entschieden
zu weit, wenn er die Kalendergeschichte von "Andreas Hofer" als "Pferdefuß" würdigt,
den "der sonst lammfromme Hebel" seinen Landsleuten zeige.

Es kann nicht übersehen werden, daß der Kalendermann die aus eigenem Antrieb rebellierenden
Tiroler Freiheitskämpfer nicht in Bausch und Bogen verdammt, sondern
um Ausgleich bemüht ist. In der Kalendergeschichte "Rettung einer Offiziersfrau"
nämlich läßt er die Frau und das Kind eines rheinbündisch-bayerischen Offiziers von einem
dieser Freiheitskämpfer unter Einsatz seines eigenen Lebens retten. Bewußt
schafft der Kalendermann hier eine Kompensation zum "Andreas Hofer" durch die
Manifestierung seines Bedürfnisses, den allzu tiefen Graben zwischen den napoleonischen
"Rheinbund"-Soldaten und den "nationalen Freiheitskämpfern" in Deutschland
ein wenig einzuebnen.

Als essentielle Motivation für die vehemente Ablehnung der Gewaltpolitik Andreas
Hof ers kommt nur die Sorge Hebels um das Wohlergehen seiner "geneigten Leser" in
Frage. Der Bildermann möchte seinen politisch völlig unerfahrenen Landsleuten mit
dem "Andreas Hofer" zurufen, daß mit der Brechstange und blindem Aufruhr gegen
die napoleonische Besatzung nichts zu gewinnen sei, zumal wenn die Aufständischen
schlecht ausgerüstet und vollkommen unzureichend bewaffnet sind. Zusätzlich mag
"die Illegalität der guten Sache" für den "Hausfreund" eine unüberwindbare psychologische
Hemmschwelle dargestellt haben. Und die Legende vom "unbesiegbaren korsischen
Adler" mag auch der "Bildermann" lange geglaubt haben.

Daß Hebel im übrigen "vaterländische Gesinnung" eingeräumt werden darf,
zeigt die deutlich autobiographische Züge tragende Kalendergeschichte vom braven
"Jakob Humbel", der sein Vaterland nicht im Stich läßt und Soldaten gegen Napoleon
stellt.

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