Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 2.1988
Seite: 130
(PDF, 36 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-02/0132
3. Für Napoleon literarische Glanzlichter

Der Kalendermacher selbst hat eine vom Schicksal fein ausgesponnene unsichtbare
Beziehung von ihm selbst zum korsischen Eroberer ausgemacht. Sie reicht interessanterweise
bis auf die Väter zurück und entbehrt nicht eines gewissen psychologischen
Reizes: Hebels Vater, der "Dragunerjobbi" Johann Jacob Hebel, kämpfte mit seinem
Basler Major Iselin ebenso wie Napoleons Vater in den Jahren 1768/69 auf der Seite des
korsischen Nationalhelden Pascal Paoli gegen die damalige genuesische Fremdherrschaft
. Voll Stolz erinnert später der alemannische Dichter an die väterlichenTaten während
des korsischen Unabhängigkeitskrieges: "i bi bim Paschal Paoli in Korsika Dra-
guner gsi..."

In den Jahren des europäischen Höhenflugs des napoleonischen Adlers stimmte der
Kalender des "Rheinländischen Hausfreunds" durchaus in die Jubel- und Freudengesänge
um den neuen Herrscher des abendländischen Reiches ein. Doch im allgemeinen
ging die Wertschätzung in Titeln nicht über den "Kaiser der Franzosen" oder "französischer
Kaiser" hinaus.

Nicht immer genoß der kriegerische Korse ein solch hohes politisches Ansehen beim
Kalendermacher. Bevor jener zum Bundesgenossen und Protektor seines badischen
Landesherrn sich aufschwang, urteilte der Kalendermacher in einer Briefepistel an Gy-
ser aus dem Jahre 1803 ohne die Autoritätsfurcht, die Hebel so gerne nachgesagt wird:
"I trau" dem welsche Chetzer z'Paris numme halber."

Diesem "Premier Consul" der privaten Epistel, "wo iez d'Schatzig b'leit und's Volch
regiit mit bluetige Hände", gewährt der "Bildermann" mutatis mutandis nur wenige
Jahre später öffentlich den nicht unumstrittenen Titel "französischer Kaiser". Der
Grund für diesen raschen und profunden Sinneswandel Hebels ist naheliegender Natur
: Die einschneidenden Änderungen der politischen Verhältnisse in Baden nach dem
Abschluß des "Rheinbund"-Vertrags. Eine wichtige Zäsur auch für Hebel, der zu jener
Zeit an seine Straßburger Freunde schreibt, "er lasse sich für niemand anders totschlagen
als für den französischen Kaiser selbst."

Diesem vorläufig noch privaten Bekenntnis schließen sich in rascher Reihenfolge
einige Kalendergeschichten an, die Napoleon in die Gemütsnähe und -Verwandtschaft
seiner badisch-alemannischen Landsleute rücken: "Kaiser Napoleon und die Obstfrau
in Brienne", "Drei Weissagungen". "Herr Christian Kuhmann, des geneigten Lesers
Landsmann" und "Franz Ignaz Narocki". Scheinbar unermüdlich drückt der Bildermann
die wahrhaft großmütigen Gesten Napoleons im Verkehr mit seinen Untertanen
auf eine heimatliche Weise aus. Hebel kündet gerne von Napoleons großen Taten im
Kriege und in der Politik und auch von dessen unendlicher Bonhomie und langjähriger
Anhänglichkeit an Menschen, die ihm geholfen haben. Stets tritt Napoleon auf als der
um das Wohlergehen seiner Landeskinder besorgte Landesvater, der seinerseits Treue
und Anhänglichkeit der Untertanen fürstlich entlohnt.

Dem heimatlichen Gemüt wird besonders die hervorragend erzählte Geschichte von
der "Obstfrau in Brienne" gefallen, die dem gutsinnigen Alemannen aus der Seele
spricht. Äußerst geschickt kann Hebel hier weltgeschichtliche Größe - die militärischen
Erfolge mitsamt den politischen läßt Hebel en bloc Revue passieren - mit menschlicher
Regung und Rührung im Kleinen verbinden: Napoleon sorgt persönlich für die alleinstehende
Obstfrau und die Erziehung ihrer Kinder. Eine solche Synthese und Apotheose
stand einem abendländischen Herrscher vom Format Napoleons in jener Zeit
wohl an. Hebel-Preisträger Robert Minder' diagnostiziert denn auch: "Napoleon ein
Halbgott, aber gerührt."

130


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1988-02/0132