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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
50.1988, Heft 2.1988
Seite: 135
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alt. Und als Hansjakob seine ersten schriftstellerischen Arbeiten publizierte, war Gott-
helf bereits ein gutes Dutzend Jahre tot. Doch mehr als nur eine Generation trennt der
beiden Hauptveröffentlichungsjahrzehnte. Hansjakobs Biograph Oswald Floeck hat
deren Gemeinsamkeiten einmal dahinaus zusammengefaßt (Karlsruhe und Leipzig
1912): "Beide sind gründliche Kenner der Volksseele, glühende Vorkämpfer des Bauernstandes
, begeisterte Apostel der guten alten Bauernsitten und -gebrauche und treten
leidenschaftlich für die Erhaltung eines gesunden, unverfälschten Bauerntums in
die Schranken ... Beide behandeln mit Vorliebe die Unterschiede des Standes, den
Kleinbauern und haben ein warmfühlendes Herz für die Lebensnöte des dienenden
Volkes ... Beide bekämpfen als den grimmigsten Feind der Volkswohlfahrt den modernen
Zeitgeist, die Überkultur und Halbbildung... Beide sind offenherzige Kampfnaturen
, aufrechte Persönlichkeiten... Beide sind Sanguiniker...".

So ist es für Hansjakob eine Selbstverständlichkeit, auf seiner Schweizerreise anno
1904 (vgl. "Alpenrosen mit Dornen - Reiseerinnerungen". Stuttgart 1905) Lützelflüh
zu besuchen: "Ich wollte seine Kirche, sein Pfarrhaus und sein Denkmal sehen...".
Nachdem er seinen verstorbenen protestantischen Amtskollegen als "vortrefflich"
apostrophiert hat. beschreibt er dessen Bronzemedaillon-Porträt: "Bitzius zeigt ein
protestantisches Pfarrergesicht voll Ernst und Biederkeit, und ein edler, biederer Mann
voll hohen sittlichen Ernstes war er trotz der Derbheit und des Realismus und des Humors
in seinen Schriften. - Sein Kummer war der sittliche Niedergang des Volks- und Familienlebens
, und darum nannte er sich Jeremias, den Propheten derTrauer. der Gottes
Hilfe anruft...". Im Folgenden berichtet Hansjakob dann noch davon, wie manche
deutschen Kritiker ihn mit Jeremias Gotthelf verglichen hätten: "... mir aber damit viel
zu viel Ehre angetan. Einmal hat Bitzius viel mehr Gestaltungskraft und Kompositionstalent
als unsereiner. Dann war er politisch konservativ... und ich bin ein unverbesserlicher
Demokrat...". Dazu wäre anzufügen, daß Gotthelf freilich der dichterisch Größere
, der Bedeutendere, vorweg im Sprachlichen, in der Komposition und in der Erzähldiktion
ist: daß Hansjakob sich immer wieder mit Nachdruck als einen Demokraten
, wohl auch als einen Republikaner (mit Heckerhut!) bezeichnet, rührt nicht zuletzt
wohl auch daher, daß er im damaligen badischen Großherzogtum und im kaiserlichen
Deutschland, also in einer Monarchie zu leben hatte.

Im Kapitel "Hansjakob und die Dorfgeschichte" (in: "Hansjakob und seine Zeit -
Zum 150. Geburtstag...". Waldkirch 1987) hatte ich versucht, die Quellen der Hansja-
kobschen Schreib- und Erzählweise aufzuspüren und zusammenzufassen: "Das 19.
Jahrhundert begünstigte nach "Sturm und Drang" und "Aufklärung" (etwa Pestalozzi
mit "Lienhard und Gertrud", bereits 1781) und nach dem Humanismus der Klassik und
der erneuten Naturnähe sowie der Gefühlsaufwertung durch die Romantik die realistische
Seite des Daseins... Erinnert sei in diesem Zusammenhang an Heinrich Zschokke
und seine Schweizer Wahlheimat und ebenso an Jeremias Gotthelf und schließlich an
Berthold Auerbach...". Letzterer (* 1812) gehörte freilich schon wieder einer Art Zwischengeneration
an und war eher Wegbahner als Vorbild für die Hansjakob-Rosegger-
Generation. Gotthelf und Hansjakob schrieben vorwiegend für ihre Landsleute auf
dem Dorf und in den kleinen Städten, Auerbach jedoch, ohne daß wir die Schablone
des "Salonbauerntums" zitieren, primär für die Städter, für die Sommerfrischler. Aber
man sollte deshalb Hansjakobs Bücher keinesfalls nur als Dorfgeschichten kennzeichnen
und ihn selbst als einen ausschließlichen "Dorfnovellisten" aufführen. Vielmehr bedient
sich Hansjakob dann und wann der Dorfgeschichte - der lange epische Atem eines
Gotthelf hat er nicht. Deshalb beugt er sich in seinen Urteilen vor dem zweifellos Größeren
. Was Hansjakob aber immer wieder auszeichnet, ist sein Bewußtsein um seine

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