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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 1.1990
Seite: 131
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-01/0133
Das Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein

"Ein Architekturfanal im Weinland"

Tonio Paßlick

Das Erstaunlichste wird fast beiläufig in einem Nebensatz erwähnt: Frank Gehn. unkonventioneller
Architekturpapst aus Kalifornien, lang ersehnter Vorreiter eines neuen Architekturtrends
, der die Postmoderne endlich ablösen soll, frisch gekürter Träger des Pritzker-Preises
- dieser Frank Gehry spricht es gelassen aus: die Form und Gestalt seines Vitra-Design-
Museums in Weil am Rhein sei eine Entsprechung der Landschaft, die solche Gebäude prägen
würde. Ein dekonstruktivistisches Museum für Stühle als Abbild des sanft geschwungenen
Markgräflerlandes. als Spiegel der Kirschbaumwiesen und Rebhänge, als Oszillograph
gutedler alemannischer Bodenständigkeit.

Die Erschütterung war groß, die Faszination schier grenzenlos, als das Debüt des amerikanischen
Architekturstars in Europa allmählich Gestalt annahm. Im Wonnemonat Mai. wenn
das Kanonental und die anderen Hügel der Markgräfler Toscana von weißen Kirschblütenträumen
durchflutet sind, ruht das verhältnismäßig kleine Design-Museum leuchtend weiß und
metallisch glitzernd zwischen den Kirschbäumen an der Weiler Römerstraße, halb gestrandetes
Raumboot, halb verlassener Spielzeugkasten eines Gigantenkindes. Wie Science-Fiction-
Phantasien. wie ein harmonisch dynamisch erstarrter Zustand aus Spiralen. Würfeln. Kugeln
und Schrägen. Die internationale Presse wühlte im Vorratskasten lyrischer Metaphern, um
dieses Bauwerk zu beschreiben: "Frank und die Bauklötze". "Gebaute Seelenkunde"". "Eine
Kathedrale für Stühle"'. "Ein Architekturfanal im Weinland"". "Groteske Zerklüftungen,
innen sakral"", oder "Schluchtig. feurig, fetzig, geil"*, wie sich die sonst so zurückhaltende
"Zeit" hinreißen ließ. Dabei läßt die architektonische Genesis dieses Museums gar nicht so
viele Fragen offen.

"Fisch"" war der Spitzname des von jüdischen Emigranten aus Polen abstammenden jungen
Frank Gehry in Toronto, der Karpfen seine bildkräftigste Erinnerung. Als Architekt im
phantasiefördernden Kalifornien entwickelte Gehry fischförmige Leuchten aus zersplittertem
farbigen Kunstglas: in der japanischen Stadt Kobe baute er ein Restaurant in Gestalt eines aus
dem Wasser springenden Karpfens. Im Fisch und in der Schlange verkörpert sich zugleich
seine Abscheu gegen die Klassikanlehnung der Postmodernisten. Später hieb Gehry dem Fisch
Kopf und Schwanz ab und erfand eine Baufigur mit Rückenflossen, die der bekannteste
deutsche Architekturkritiker Manfred Sack mit dem Ungeheuer von Loch Ness vergleicht: und
nicht etwa im hohen schottischen Norden, sondern auf den Furchen eines Markgräfler
Herbstackers schwimmend, schneeweiß die Haut aus Putz, silbergrau wie Fischschuppen
glänzend das Titanzinkblech der Dachpartien. Gehry war 1984 mit seinem Freund Clas
Oldenburg, dem bekannten New Yorker Pop-Art-Künstler, nach Weil am Rhein gekommen,
um bei der Aufstellung der Großskulptur "Balancing Tools"' auf dem Vitra Gelände beratend
zu helfen. Da Gehry selbst Möbel entworfen hatte, sich für das Thema Museumsbau brennend
interessierte und in seiner Architektur eine offene, antielitäre Haltung einnimmt, wie sie einem
Museum des Alltags angemessen sei. erschien er dem Firmenchef und Stühlesammler Dr. Rolf
Fehlbaum als idealer Partner für das Vorhaben.

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