http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-01/0136
organischen Formen dokumentieren) bis hin zu "Meisterstücken", eine Auswahl von 15
Objekten. Im Frühjahr 1990 sind Praktiker der Avantgarde (Erich Dieckmann und Heinz
Rasch) zu sehen, zwei bedeutende paradigmatische Möbelentwerfer aus den 20er und 30er
Jahren, und im Sommer 1990 werden parallel zur "Art Basel" die bisherigen Arbeiten zweier
jüngerer zeitgenössischer Designer gezeigt: und zwar Philippe Starck aus Frankreich und Rod
Arad aus England. In der langfristigen Ausstellungsplanung steht jedoch eine Zusammenfassung
der Möbelentw ürfe des amerikanischen Designers Charles Eames an erster Stelle. Der im
Jahr 1989 erworbene Eames-Nachlaß bietet eine ideale Voraussetzung dafür und weist
gleichzeitig auf die Wurzeln der Vitra hin. Wie Sammler Fehlbaum selber beschreibt, war
Ausgangspunkt der Sammeltätigkeit der Wunsch von Vitra, die eigenen Wurzeln zu dokumentieren
. Also Vorformen. Prototypen und Varianten der eigenen Produkte zu sichern und
wiederzufinden. Am Anfang war das Werk von Charles Eames und George Nelson gestanden,
deren Möbel das Unternehmen seit über 30 Jahren herstellt. Dieses Suchen und Finden habe
den Appetit auf weitere Entdeckungen geweckt, zunächst bei verwandten Gestaltern (Alvar
Alto und Jean Prouve). Es wurde dann klar, daß der Stuhl - ausgestattet mit Armen. Beinen,
einem Rücken und einem Sitz - ein ständiger Begleiter des Menschen sei, der den jeweiligen
Zeitgeist auf überraschend klare Weise ausdrückt. Dies und die Freude an der Vielfalt des
Themas "Stuhl" führten bei Fehlbaum zu dem Wunsch, die Entwicklung der modernen
Stuhlgestaltung von 1850 bis heute zu dokumentieren. Eine wesentliche Ergänzung trug der
leidenschaftliche Sammler Alexander von Vegesack bei. der heute Museumsleiter des Design-
Museums ist und die weiteren Ausstellungen konzipiert.
Neben den wechselnden Ausstellungen, die unterschiedliche Aspekte der Sammlung
aufzeigen, sollen in Kooperation mit anderen designorientierten Museen und Institutionen
Ausstellungen konzipiert werden. Außerdem publiziert das Vitra-Design-Museum Kataloge
zu Ausstellungen und Studien zu Design-Themen. Es ist die Absicht, hier ein Forum für
Design-Fragen zu schaffen, das Fachleute und Theoretiker anzieht. Workshops, Vorträge und
Filmvorführungen sind geplant. Eine umfangreiche Bibliothek steht Fachleuten künftig zur
Verfügung. Ganz wichtig ist es Rolf Fehlbaum und Alexander von Vegesack, daß hier kein
elitäres Museum entsteht, sondern ein Ort. der den Prozeß des Designs für viele transparent
macht und sie für Qualität und Vitalität im Design sensibilisiert. Fehlbaum weiß, wovon er
spricht. Der ungewöhnliche Unternehmer, der nicht nur Ziffern und Zahlen im Kopf hat.
sondern über Alltagskultur und Untemehmensphilosophie so konsequent nachdenkt, daß
Design in seinem Umfeld gar nicht in den Verdacht geraten könnte, zur Ersatzreligion stilisiert
zu werden, dieser wegweisende Unternehmer hat nicht etwa eine betriebswirtschaftliche
Dissertation verfaßt, sondern eine Arbeit zum Thema "Utopischer Sozialismus". Was der
Älteste der drei Fehlbaum-Brüder nach der Übernahme der Firma von Vater Willi Fehlbaum
mit Vitra anstellte, nennt die Zeitschrift "Tempo" ein "Musterbeispiel dafür, wie man ein
postkapitalistisches Image aufbaut, das vor Avantgarde-Kompetenz nur so strotzt." "Er
lästert über Design, aber beschäftigt die besten Designer, er sitzt nur selten, aber baut die
schönsten Stühle. Seit Rolf Fehlbaum die Firma leitet, gibt es wieder Kultmöbel." freut sich
die Zeitschrift unter der Überschrift "Der Sitzriese". Das Museum selber wird "Paradies für
Reise-nach-Jerusalem-Freaks" genannt. Gehrys erster Bau als "Neuschwanstein des Dekon-
struktivismus" gefeiert.
Da aber in Weil das typische Charakteristikum der bisherigen amerikanischen dekonstruktivistischen
Projekte - das provisorische, das provokative Zusammenspiel aus Wellblech.
Maschendraht. Sperrholz und Betonplatten - übergegangen ist in eine fast kristalline Momentaufnahme
schwebender Elemente, mutmaßen Architekturkritiker in dem ersten europäischen
Bau Gehn s nicht den erw arteten Wendepunkt, sondern den Übergang des heilsamen Schocks
des Zertrümmerns postmoderner Rekonstruktionen zu erkennbaren Konventionen.
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