Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 1.1990
Seite: 136
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-01/0138
Ein Kritiker beschrieb das Gebäude als ein Beispiel für '"Psychoarchitektur". In der Tat: nur
wer sich dem scheinbar zerklüfteten instabilen Gebilde behutsam nähert, kommt ihm auf die
Schliche. Seine Außenhaut scheint durch Verwerfungen. Kamine. Gauben und Wülste.
Rampen und Karussellformen aufgeplustert zu sein, jegliche Transparenz und Durchdringung
scheint zu fehlen. Die Lesbarkeit des Gehaltes aus der Gestalt scheint aufgegeben worden zu
sein. Aber der Baukörper schirmt sich wie eine Friedhofskapelle ab. damit der Besucher innen
sein lichtes Wunder erlebt - wie im Dornacher Goetheanum ein Höchstmaß an Inszenierung.
Überraschend innen die strahlend helle Weite, die sich in einer wild zerklüfteten Deckeninstallation
verliert. Je weiter man sich den zueinander öffnenden Räumen anvertraut, desto größer
wird die beeindruckende Plastizität. Vielfältige Durchdringungen und eine raffinierte Lichtführung
aus zahllosen Oberlichtern und asymmetrischen Wandöffnungen lassen das Museum
wie einen einzigen fast sakralen Raum erscheinen. Das geheimnisvolle Spiel des Lichtes in
Nischen und Schächten erinnert an Steiners Goetheanum. Auf 740 irr Grundfläche hat der
Architekt Platz geschaffen für eine geräumige Bibliothek, eine Cafeteria und zwei große
Ausstellungssäle. Zur Galerie im Obergeschoß führt eine Corbusiersche Rampe: das Durcheinander
ist durch spielerischen Zufall so ins Gleichgewicht gerutscht, daß der Innenraum fast
schwerelos wirkt. Ein moderner Archetyp sakraler Baukunst. Nutz- und Kunstraum, begehbare
Skulptur.

Psychoarchitektur ungewollt auch deshalb, weil dieser fast schizophrene Kontrast von
außen und innen auch zur Mentalität der Region gehört. Wie viele Gegenden, die durch
dramatische Umwälzungen in der Geschichte, durch das Aufeinanderprallen nationalstaatlicher
Interessen, strategisch bedingter Konflikte einen etwas verkrusteten, verschuppten
Charakter entstehen ließen, dessen Geschmeidigkeit und Flexibilität erst bei näherer Vertrautheit
erfahrbar wird, so verwandelt sich der zunächst spröde Charme des gesichtslosen
Museumsäußeren bei näherer Betrachtung zur sakralen Lichtsymphonie. Wie die meisten
architektonischen Ideen, deren Ergebnisse Weltgeschichte geschrieben haben, stieß das
Design-Museum bei profanen Betrachtern zunächst auf Unverständnis. Aber die Skulptur als
Bauwerk, das Gebäude als Kunstwerk, hat seine Wurzeln nicht nur in der Geschichte ihres
Bauherrn und ihres Schöpfers, sondern auch in der Tradition seines Standortes. Weitaus
profilierter als die meisten Gebrauchshäuser aus der 08/15-Fabrikation. aus dem Nähkästchen
vordergründig finanzökonomisch orientierter Baukastenplaner. Denn das ökonomische Konzept
ist auch bei einem avantgardistischen Objekt wie Gehrys Museum aufgegangen. Nicht allein
der Werbewirkung wegen, sondern auch in den Entstehungskosten läßt sich kein Fehler in der
Kalkulation entdecken. Das Engagement eines Stararchitekten hat nur ein oder zwei Prozent
mehr gekostet als ein üblicher Bau.

Und das Beispiel steckt an. Bei der Progressivität. mit der Rolf Fehlbaum weitere Architekturfanale
folgen läßt, ein Feuerwehrhaus der irakischen Architektin Zaha Hadid und ein
Konferenzpavillon des Japaners Tadao Ando. wird auch bei anderen Unternehmern und
Bauherren Begehrlichkeit geweckt. Das neue Werk der Firma Raymond im Rheinvorland
(konzipiert vom Lörracher Architektenehepaar Wilhelm) hat eine Reihe von Preisen erhalten,
die insbesondere für die Gestaltung einer humanen Arbeitswelt gedacht waren. Auch die Stadt
Weil am Rhein profitiert von den Architekturwettbewerben, mit denen ein zeitgemäßes
Bewußtsein für die Durchdringung von Architektur und Stadtstruktur mit Lebensqualität
geweckt worden ist. Ein städtischer Wettbewerb zu Gestaltungsfragen führte vorher bereits zu
einem ausgeprägteren Ehrgeiz, eigene Bauprojekte sensibel zu gestalten. Aushängeschild
bleibt aber am geschichtlichen Kreuzungspunkt der Charles-Eames-Straße zur Römerstraße
ein Museum der Superlative, das den sonst so süffisanten Kritikerton der Fachzeitschriften in
aller Welt in einen vereinigten Chor der Bewunderer verwandelte.

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