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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 1.1990
Seite: 137
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-01/0139
Die Frauen in Hebels Leben

Vortrag beim Hebelschoppen in Hertingen am 22. Oktober 1989
Gertrud Lukanov.-Moehring

Ich stamme zwar nicht aus einer alemannischen Familie, aber, da ich in Lörrach aufgewachsen
bin, grüßte mich jeden Morgen auf dem Schulweg Hebels Bildnis und. als dann der Wechsel
von der Hebel-Schule zum Hebelgymasium stattfand, wußte das Mädchen, daß es in Räumen
unterrichtet wurde, in denen schon der Heimatdichter gewirkt hatte. Daß am 10. Mai auf dem
Tüllinger Berg oder dem Röttier Schloß - Orte, von denen man auf Hebels geliebtes Wiesental
hinabschauen konnte - Hebel-Gedichte rezitiert und gesungen wurden, gehört auch zu den
unvergessenen Eindrücken der Schulzeit.

Viel später, als ich auch die Widersprüche und Konflikte von Menschen zu verstehen
versuchte, stieß ich wieder auf den Dichter meiner Kindheit.

Den Hebel-Verehrem ist immer wieder aufgefallen, welch problematische Rolle die Frauen
im Leben des großen "Ratgebers" gespielt haben, und wenn wir uns heute dem Thema "die
Frauen in Hebels Leben" zuwenden, müssen wir mit der Beziehung des Dichters zu seiner
Mutter beginnen, denn das spätere Verhalten eines Menschen wird in der Frühphase geprägt,
davon wie er seine Eltern erlebt hat. In diesem Kreise kann die Kenntnis von Hebels Biographie
zwar vorausgesetzt werden, aber um Hebels Gefühle seiner Mutter gegenüber zu verstehen,
müssen wir uns seine frühe Kindheit noch einmal vorzustellen versuchen: Er ist das erste Kind
relativ alter Eltern - Ursula Oertlin war 33 Jahre. Johann Jakob Hebel 40 Jahre bei seiner Geburt
- er war also sicher ein ersehntes Kind. Während seines ersten Lebensjahrs wurde die Mutter
wieder schwanger, was mancherlei Versagung für den Erstgeborenen bedeutet haben mag. Als
Johann Peter 13 Monate alt war. wurde seine Schwester geboren. Kurz danach erkrankte die
ganze Familie - wahrscheinlich an Typhus - an dem der Vater und die 5 Wochen alte Schwester
starben. Nur die Mutter und der Sohn überlebten die schwere Krankheit. Diese Situation mußte
eine besondere Bindung zwischen Mutter und Sohn schaffen. Ursula Hebelin mag dieses
Einzige, das ihr geblieben war. nicht nur mit dem "Glanz im Auge" angeschaut haben, den der
Psychoanalytiker Kohut beschrieben hat. sie wünschte sich auch durch diesen Sohn "beglänzt
zu werden"- diesen Sohn, mit dem sie im Sommer bei ihrer Herrschaft in Basel und im Winter
in ihrem Heimatdorf im Wiesental lebte. Er sollte die Lateinschule besuchen und Pfarrer
werden! In den Schul- und Kirchenprotokollen des Jahres 1771 - Johann Peter war damals
11 jährig - finden wir einen kleinen Hinweis, daß diese Mutter streng und ehrgeizig sein konnte,
was ihren Sohn betraf. Denn in dem Verzeichnis der Eltem. "so ihre Kinder gut oder schlecht
erziehen." ist die Magd und Witwe Ursula Hebelin unter den 5 "guten Eltern" vermerkt! Als der
Sohn 13 Jahre alt war. verzichtete die Mutter sogar zugunsten der Ausbildung des Buben auf das
bisherige Zusammenleben und gab ihn auf Rat des Lehrers zu dem Leiter der Schopfheimer
Lateinschule in Kost und Logis. Im selben Jahr starb die Mutter - erst 46jährig. Der 13jährige
holte die Todkranke zusammen mit einem Verwandten mit einem Pferdefuhrwerk in Basel ab.
und auf der Heimfahrt ereilte sie der Tod im Beisein des 13jährigen Buben. Zu der tiefen
Bindung an die Mutter, die dadurch entstanden war. daß nur sie beide von der Familie übrig
geblieben waren, kam nun. daß die in der Pubertät erfolgende Ablösung von der Mutter nicht
erfolgen konnte, weil sie der Sohn gerade in dieser Zeit durch den Tod verlor. Richard Nutzinger
bringt diesen frühen Tod der Mutter mit einer Minderung ihrer Lebenskraft durch die Trennung

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