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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 1.1990
Seite: 139
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-01/0141
Tüllinger Hügel für ihn eingerichtet. Aber trotz gemeinsamem Wohnen im Paedagogium.
gemeinsamen Ausflügen und häuslichen Neckspielen blieb die Beziehung distanziert. Der
Sehnsucht nach Nähe stand die Angst gegenüber, der Macht einer Frau ausgeliefert zu sein!
Nach 3jähriger Freundschaft mit Gustave nahm Hebel 1791 den Ruf ans Karlsruher Gymnasium
an. obwohl er sich eine Pfarrei im Oberland wünschte, und er brauchte 5 Jahre, bis er seine
Freundin in Weil wieder besuchte. Sie war - und büeb - die "Jungfer Gustave", wie er sie in seinen
Briefen aus Karlsruhe nannte. Es blieb zwischen beiden auch beim distanzierten "Sie". Seinen
Zwiespalt drückte der Autor in einem Brief, von dem nur ein Fragment erhalten ist, bewegend
aus "... mein Gemüth ist Ihnen nie näher, als wenn ich weit von Ihnen bin und ich habe immer
etwas mit Ihnen zu plaudern, bis ich einmal hinaufkomme, alsdann habe ich nichts! "

Das heißt: die Nähe kann nur in der Entfernung erlebt werden, in der Phantasie - in
einzigartigen Liebesbriefen - im räumlichen Nahesein ist Hemmung da. Gustave entsprach von
den drei Frauen, die in Hebels Leben eine Rolle spielten, wohl am meisten dem Wesen und dem
Auftrag der Mutter: sie war eine Pfarrerstochter aus der Heimat der Mutter und hatte wohl das
Ziel. Pfarrfrau zu werden. In einem Brief des 65jährigen Dichters leuchtet noch einmal der
Konflikt auf. aber hier steht er mit feinem Humor dazu, daß der Sehnsucht nach der Heimat, die
Gustave für ihn verkörpert, die Befriedigung gegenübersteht. Karriere gemacht zu haben, ein
feiner Herr am Hofe des Markgrafen und der oberste Beamte der badischen Kirche geworden
zu sein und daß er sich für diese Möglichkeit entschieden hat. die ein Fernesein von Gustave
bedeutete. Zitat aus dem Brief des 65jährigen an Gustave: "...in noch 5 Jahren bin ich 70.
Alsdann bitte ich um meinen Ruhegehalt und komme heim. Ich bin bekanntlich in Basel daheim
- vordem Sandehansener Schwiebogen das zweite Haus. Selbiges Häuslein kauf ich dann um
ein paar Gulden - aber ich bin kein Burger! - also miete ich es und gehe alle Morgen, wie es alten
Leuten geziemt, in die Kirchen, in die Betstunden und schreibe fromme Büchlein. Traktätlein
und am Nachmittag nach Weil... Ich lachte lange über meine Freunde, wenn sie meinten, ich
könne es nimmer auf dem Lande gewöhnen, aber jetzt kommt mir's selber so vor. seitdem ich
mit goldenen Löffeln esse und den Cafe mit dem Hut unter dem Arm trinke und alle Sonntage
in die Cour fahre."

Die Korrespondenz zwischen Hebel und Gustave erstreckte sich über 35 Jahre. Leider ist kein
einziger Brief der Freundin an Hebel erhalten. Wir können also Hebels Erleben und seine
brieflichen Phantasien nicht mit Äußerungen und Reaktionen von Gustave vergleichen. Daß die
unerfüllte Beziehung für beide bis zum Ende des Lebens anhielt, kann nur damit zusammenhängen
, daß Gustave den entsprechenden Konflikt dem Manne gegenüber hatte wie Hebel der Frau
gegenüber. Es gibt ein Jugendbildnis der Pfarrerstochter von einem unbekannten Maler - es
hängt im Heimatmuseum in Weil - auf dem das Mädchen mit den ausdrucksvollen Augen und
den zarten Händen einen Hahn in den Armen hält. Ob sie einen Hahn besonders liebte oder ob
die Intuition des Malers dieses Attribut hinzugefügt hat. wir wissen es nicht. Jedenfalls ist es ein
männliches Symbol, das ihr beigegeben ist. was eine ergänzende Entsprechung zu Hebels
unbewußter weiblicher Seite wäre. Bereits 1875 schreibt Längin in "Johann Peter Hebel, ein
Lebensbild": "Hebel war eine mehr weibliche, fast mädchenhafte Natur, während Gustave
etwas Entschiedenes, fast Männliches hatte. So mochte er für seine Selbständigkeit und
Unabhängigkeit fürchten."

Die Einstellung Hebels zur Ehe kommt in einem Brief an seinen Freund Hitzig vom 18. Okt.
1799 zum Ausdruck, wo er über die bevorstehende Hochzeit eines 23jährigen Mannes mit der
Tochter des Karlsruher Hofpredigers folgendes schreibt: "Brommer wird bis künftige Woche
kopuliert und will alsdann mit seiner Braut und mit Sack und Pack abziehen. Es schien von ihr
darauf angelegt, ihn nicht eher und nicht anders fortzulassen, und er widerstrebte wenigstens
nicht, obleich seines Thuns und. wie ich glaube, klüger gewesen wäre. Er versichert alle
Schwierigkeiten wohl zu kennen und überlegt zu haben, aber es sei nicht änderst zu machen. Mit

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