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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 1.1990
Seite: 141
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-01/0143
monodramatische Szenen spezialisiert, mit denen sie auf Tournee ging. Sie ließ sich von Hebel
in die alemannische Mundart einführen, um seine Gedichte deklamieren zu können. An dieser
Tochter eines Schauspielerehepaars, die in der Welt des Theaters aufgewachsen war und lebte,
lockte Hebel wohl "das Vagabundische", das ihn noch im Alter faszinierte, wenn er zwei Jahre
vor seinem Tod in einem Brief schrieb: "es ist gar herrlich, so etwas Vagabundisches in das
Leben zu mischen!" Von den drei Frauen gelang es Frau Hendel wohl am stärksten, die
Widerstände des Dichters gegenüber der Nähe einer Frau zu überwinden. 1809. als Frau Hendel
in Karlsruhe war. schrieb der sonst so eifrige Briefschreiber vier Wochen lang keinerlei Briefe.
Aus einem Brief an Sophie Haufe: "...vor lauter blauen Wundern und aesthetischem Schlaraffenleben
", und in seinem Bericht fährt er fort: "oft war es mir. wenn ich sie in der ganzen Glorie
ihres Genies und ihrer Kunst erblickte, wie einem, der mit einem höheren Wesen in Umgang
steht und die Ahndung hat. es könne kein gutes Ende nehmen." Das Weib ist auf dereinen Seite
"das höhere Wesen", aber auch das Unheimliche und Mächtige, bei dem Hebel nicht weiß, ob
es "ein gutes Ende nimmt". Nachdem sich die Künstlerin öffentlich im Karlsruher Theater zu
ihrem Freund Hebel bekannt hatte, indem sie - an ihn gewandt - die Schlußzeilen des
"Schwarzwälders im Breisgau" umkehrte in "s'isch kei Sie. es isch en Er!", schrieb Hebel an
seinen Freund Hitzig: "Aber nun denke Dir ein Weib, das im stolzen, königlichen Bewußtsein,
alles tun zu dürfen, was sie will, auch wirklich alles tut. was sie will..." "...eine Schauspielerin
auf dem Theater und ein Kirchenrath im Parquett!" Hier ist die Befriedigung über die Initiative
der Frau stärker als die in der Tiefe vorhandene Angst vor der Gefahr.

Auch in der Beziehung zu Henriette Hendel hat Hebel seinen Konflikt nicht gelöst. Die
umschwärmte Schauspielerin verheiratete sich 1810 - nach 3jähriger Freundschaft mit Hebel -
in vierter Ehe mit Prof. Karl Friedrich Schütz. Daß der 50jährige Hebel dabei nicht zusammenbrach
, zeigt, daß er auch erleichtert war. der Nähe mit der Freundin enthoben zu sein. Immerhin
war der Kirchenrat in dieser Zeit einige Wochen lang krank. An Haufe schrieb er: "Sie hat
nehmlich. die gebenedeite Tochter Kronions, Madame Hendel, zerrissen hat sie den Bendel, und
sich in den Stand der 4. heiligen Ehe begeben mit Herrn Prof. Schütz in Halle."

So bewegte sich auch diese Beziehung v on der Nähe in die Feme - nur 1812 gab es noch einmal
ein Wiedersehen bei einem Gastspiel - der briefliche Kontakt dauerte bis 1822. In Hebels
Zimmer hing ein Bild der Schauspielerin als "Zauberin Medea".

So verschieden die drei Frauengestalten sind, die in Hebels Leben eine Rolle spielten, eines
ist ihnen gemeinsam: das aktive auf das Leben- und auf den Mann Zugehen. In dem Gedicht
"Hans und Vrene" hat Hebel das Thema des schüchternen Burschen und des aktiv auf ihn
zukommenden Mädchens dichterisch gestaltet.

Meine Damen und Herren, bei einer ungelösten Mutterbindung kann Männlichkeit zwar nicht
im vollen Zusammenleben mit einer Frau entwickelt werden, sie kann aber im schöpferischen
Gestalten verwirklicht werden! Hebel hat in den "Alemannischen Gedichten", die ab 1800
entstanden, seinen Konflikt mit der Mutter gelöst, indem er sein alemannisches Mutterland
poetisch verklärte und die Sprache seiner Mutter zur Dichtersprache erhoben hat. Seine
Befriedigung über diese geistige Potenz hat er 1808 in einem Brief an Hitzig ausgedrückt: "Ich
kann in gewissen Momenten inwendig in mir unbändig stolz werden und mich bis zur
Trunkenheit glücklich fühlen, daß es mir gelungen ist. unsere sonst so verachtete und lächerlich
gemachte Sprache klassisch zu machen und ihr eine solche Zelebrität zu ersingen. Sie ist nun
gekannt, wird geliebt und studiert, wo Deutsche sind..."

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