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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 2.1990
Seite: 34
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-02/0036
Der "Kampf in der Gemeindepolitik muß künftig mit rücksichtsloser Schärfe" geführt
werden - den Menschen ist diese kriegerische Sprache schnell vertraut geworden im Dritten
Reich. Aus dem Jahr 1931 stammt das Zitat, aus einem dieser Rundschreiben der NSDAP-
Gauleitung an ihre Ortsgruppen. Die Nationalsozialisten vor Ort. so lautet der Auftrag, sollen
die Bühne des Gemeindeparlaments gezielt nutzen für Propagandazwecke. Welche Anträge
im Stadtrat oder Bürgerausschuß zu stellen sind, das schreibt die Gauleitung auch den
Lörracher Genossen vor. hin und wieder sogar den Wortlaut. In der Folge bisheriger Agitation
fordert der Fraktionsvorsitzende Reinhard Boos eine Warenhaus- und Filialsteuer: die Stadt
soll auf niedrigere Gas- und Strompreise hinw irken, soll wegen der finanziellen Notlage die
Beamtengehälter kürzen.6' Reinhard Boos ist ein guter Sprecher für die Nationalsozialisten.
Aber für diese Gemeindeparlamente empfindet er vor allem Verachtung. Am 7. November
1933. inzwischen als Bürgermeister an der Macht, wird er zum letzten Mal den Bürgerausschuß
zusammenrufen und dort sein Urteil abgeben: "Stundenlange Debatten und geistlose
Schwätzereien waren an der Tagesordnung, nur dann und wann abgelöst durch kommunistische
Untermenschen-Methoden."7'

Von Reinhard Boos wird immer wieder zu lesen sein auf dem Weg durch die Stadtgeschichte
bis 1945. Denn er ist von 1930 an der Ortsgruppenleiter, von 1931 bis 1938 Kreisleiter der
Partei. Und Boos lenkt zwölf Jahre lang als Bürgermeister die Geschicke der Stadt. Ein durch
und durch überzeugter Nationalsozialist - aber, so sagen nach dem Kriege viele Gegner der
Bewegung: Einer der ganz üblen Nazis sei der "Boos Hardy" nun auch w ieder nicht gewesen.
Und manchen habe er vor Schlimmem bewahrt. Wenn auch in dieser Serie über Lörrach im
Dritten Reich auf Namen maßgeblicher Parteigenossen verzichtet werden soll, um die
Nachkommen vor Vorwürfen zu schützen, solche Nachkommen zum Teil, die sich heute
vorbildlich für unsere Demokratie einsetzen - bei Reinhard Boos als dem für Lörrach
wichtigsten Mann der Zeitgeschichte ist diese Zurückhaltung nicht möglich.

"Die Fahne hoch" zum Propagandamarsch

Viel wichtiger als Bürgerausschuß und Stadtrat ist den Nationalsozialisten die Propaganda
für ihre Partei und Adolf Hitler. Es hat in Baden früh geeignete Redner gegeben mit Pathos und
Aggressivität auf der Zunge. Jede Propaganda habe volkstümlich zu sein, so Adolf Hitlers
Anweisung; ihr geistiges Niveau müsse eingerichtet sein nach der Aufnahmefähigkeit der
Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt. Daran halten sich die Redner
auch in Lörrach.

Von 1931 an häufen sich die Versammlungen der NSDAP. Der Reichstagsabgeordnete
Lenz spricht und Gauleiter Wagner. Geistliche und Akademiker sind Parteimitglieder, sie
werden gern und häufig als Redner aufgeboten: der Pfarrer von Tüllingen etwa, der sich in den
30er Jahren wieder lossagen wird vom Nationalsozialismus: dann ein Professor. Lehrer am
Hebelgymnasium. Noch die kleinste Nazi-Veranstaltung wird zum Schauspiel, das stets endet
mit dem im Stehen gesungenen Horst-Wessel-Lied: "Die Fahne hoch! Die Reihen dicht
geschlossen! SA marschiert mit ruhig festem Schritt..."

Und sie marschiert tatsächlich. Das Oberbadische Volksblatt meldet im Juli 1932 den ersten
Propagandamarsch der SA. Vom Engelplatz aus ziehen Braunhemden aus Lörrach hinaus nach
Haagen. Hauingen. Brombach. Tumringen. Binzen. Haltingen. Weil. In Tüllingen hält der
Pfarrer von Wollbach (der später in SA-Uniform durch sein Dorf gehen wird) einen Festgottesdienst
ab. Die Polizei vertreibt Störer mit Gummiknüppeln. 700 SA-Leute sind auf den
Beinen gewesen, ist im Zeitungsband nachzulesen. Den Bericht allerdings hat die NSDAP
selbst geschrieben; "Eingesandt" steht darüber.

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