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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 2.1990
Seite: 43
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-02/0045
Im Juni 1933 beklagt sich Reinhard Boos als Kreisleiter beim badischen Innenminister
Pflaumer. es sei bei der Feuerwehr in Lörrach die Gleichschaltung nur ganz ungenügend
erfolgt, weil lediglich auf die Marxisten geachtet worden sei. Boos: "Gerade hier in Lörrach
ist beispielsweise auch jetzt nach der Gleichschaltung kein einziger Nationalsozialist im
Vorstand bzw. unter den Kommandanten, dagegen stehen nach wie vor die als verbissene
Staatsparteiler bekannten bisherigen Kommandöre an der Spitze." Boos schreibt warnend, es
habe schon an mehreren Orten deswegen Zusammenstöße zwischen NSDAP und Feuerwehren
gegeben. Die Lörracher Wehr ist verärgert über das Mißtrauen der Kreisleitung. Sie merkt
an. daß zwei von 17 Verwaltungsratsmitgliedern in der Partei seien. Allerdings sind die erst
nach der Machtergreifung zur NSDAP gestoßen, und Boos will "alte Kämpfer" bei der
Feuerwehr haben. Er nennt dann auch vier Namen. Im September schließlich ist Boos
zufriedengestellt.

Die Nationalsozialisten sind vorsichtig, wollen eine Unterwanderung der bürgerlichen
Turn- und Sportvereine durch "marxistische Elemente" aus den aufgelösten Vereinen verhindern
. Auf Anordnung des Ministeriums des Innern braucht jeder eine Genehmigung des
Bezirksamts, der nach dem 5. März 1933 in einen bürgerlichen Turn- und Sportverein eintreten
will. Ab Oktober muß er - auch nachträglich noch - eidesstattlich versichern, keine Beziehungen
mehr zu unterhalten zu marxistischen Organisationen: er hat ein polizeiliches Führungszeugnis
vorzulegen und zwei Bürgen zu nennen. Die allgegenwärtige Geheime Staatspolizei
(Gestapo) wird eingeschaltet, wenn Ungewißheit besteht über die Einstellung eines Menschen
zur nationalen Bewegung.

Sogar die Kaninchenzüchter werden streng kontrolliert. Drei Männer aus dem Bund
Obermarkgräfler Kleintierzüchter bitten um Aufnahme im Kaninchenzuchtverein Lörrach
und Umgebung. Der Kaninchenzuchtverein ist vorsichtig und fragt beim Bezirksamt nach; von
dem wird die Gestapo eingeschaltet. Tatsächlich sind die "Obermarkgräfler" insgesamt
verdächtig, es läuft ein Verfahren gegen vier Vereinsmitglieder wegen "groben Unfugs":
Singen kommunistischer Lieder auf der Fahrt zu einer Ausstellung. Diese vier werden bestraft,
zwei von ihnen nach der Verbüßung der Haft ins Konzentrationslager Kislau eingewiesen. Von
jenen drei, die im Kaninchenzuchtverein Lörrach aufgenommen werden wollten, darf letzlich
einer nicht. "Politische Bedenken"...291

Noch einen Blick auf den FC Lörrach-Stetten. heute die Fußballabteilung des TuS Stetten.
Aus den aufgelösten Arbeitersportvereinen durften viele zu ihm wechseln. Das wird von der
Partei mit Skepsis beobachtet, immerhin, bei der außerordentlichen Generalversammlung im
August 1933 ("betrifft Gleichschaltung des FC Lörrach-Stetten") werden zehn Nationalsozialisten
in Vorstandsämter gehievt. Doch denen fehlt offenbar der Rückhalt im Verein. Ein Jahr
später beantragen Kreisschulamt und NSDAP-Kreisleiter beim Bezirksamt die Vereinsauflösung
. Die Gestapo ermittelt, das Bezirksamt schließlich erläßt im Oktober 1935 die Auflösungsverfügung
. Aus der Begründung: "Von den ungefähr 40 aktiven Mitgliedern des Clubs
gehören außer dem Sportwart noch zwei Leute der SA bzw. SS an, eine für den Club
vernichtende Tatsache". Der Verein "... gibt nicht die Gewähr einer Erziehung seiner
Mitglieder im Sinne des Programms des nationalsozialistischen Staates. Der nationalsozialistische
Staat kann es nicht dulden, daß sein Aufbauwerk irgendwie gefährdet wird."30'

Es war dies eine Ausnahme, daß ein gleichgeschalteter Verein oder Verband nicht auf die
richtige Schiene gelenkt werden konnte. Ansonsten leisten die auf wichtige Vorstandsposten
gesetzten Parteimitglieder ganze Arbeit. Das macht hohen persönlichen Einsatz nötig, wie aus
dem Protokoll einer am 14. Juni 1933 abgehaltenen Vorstandssitzung des Verkehrsvereins
hervorgeht. Der Verein, der sich seit 1929 mit verkehrspolitischen Fragen und Fremdenverkehrswerbung
befaßt, erhält zwecks Gleichschaltung drei neue Vorstandsmitglieder. Eines
von ihnen, ein im Handwerk der Stadt engagierter Mann und Nationalsozialist, jetzt Stellver-

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