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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 2.1990
Seite: 47
(PDF, 30 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-02/0049
daß Ihr Bürgermeister ein Nationalsozialist ist, und ich weiß auch, daß in der Beamtenschaft
der Stadtverwaltung vor dem 30. Januar 1933 nicht alle Nationalsozialisten waren, und ich
glaube auch, daß heute noch einige darunter sind, die innerlich nicht gleichgeschaltet sind.
Man ist nicht gewiß, ob bei Gewitterregen nicht bei diesem oder jenem die braune Farbe
abgewaschen wird." Boos gesteht allerdings zu. daß ein guter Volksgenosse auch der sein
könne, der nicht Parteimitglied ist. Aber politisch anders zu denken, verbittet sich der
Bürgermeister: "Es gibt nur noch eine politische Weltanschauung, das ist die Weltanschauung
des Nationalsozialismus!"37'

Derselbe Abend in der "Sonne". Nach Reinhard Boos hat der Kreisamtsleiter des Amtes für
Beamte das Wort ergriffen. Der macht deutlich, welcher Ungeist sich breitmacht im Dritten
Reich. Der Mann redet über die vom Gau Baden herausgegebenen "Arbeitsschlacht-Pässe", in
denen vermerkt ist, wieviel jeder einzelne zur Ankurbelung der Wirtschaft gespendet hat. Aber
manche finden mehr in ihren Pässen - jene, die noch einzukaufen wagen in jüdischen
Geschäften. Der Kreisamtsleiter: "Wir haben uns erlaubt, diesen in den Arbeitspaß eine
Judenfratze hineinzukleben, und das wird ihnen sagen, was sie dem deutschen Volk schuldig
sind."38>

4. Aufschwung zum Größenwahn

Die wirtschaftliche Lage beeinflußt ganz erheblich die politische. Vor der Machtergreifung
hat die Arbeitslosigkeit den extrem republikfeindlichen Parteien Wähler zugetrieben, der
NSDAP und der KPD. Nach der Machtergreifung lassen die steigenden Beschäftigtenzahlen
auch zunächst Skeptische glauben, daß dieser Hitler wohl doch genau der richtige Lenker ihrer
Geschicke sein werde.

In Lörrach sinkt die Zahl der Arbeitslosen von 1992 im Dezember 1932 auf 909 im
Dezember 1934. Bereits im März 1933 ist ein Rückgang auf 1776 festgestellt worden-dies als
Beleg dafür, daß der Höhepunkt der Wirtschaftskrise bereits überschritten war, als die
Nationalsozialisten sich etablierten.391 Lörrach richtet für Arbeitslose einen städtischen Volksdienst
ein und führt mit günstigen Darlehen vom Reich eine Reihe von Notstandsmaßnahmen
durch, womit begonnen wurde bereits unter der Regierung des Kanzlers Kurt von Schleicher:
Wegebau. Kanalarbeiten. Gebäudeinstandsetzungen. Bürgermeister Boos drängt die einheimischen
Betriebe, zuallererst jene Erwerbslosen einzustellen, die noch der Stadt auf der Tasche
liegen.40'

Die "alten Kämpfer" der Partei werden bevorzugt. SA. SS und politische Leitung geben ans
Arbeitsamt Lörrach Listen mit insgesamt 441 Arbeitslosen aus ihren Reihen. Das Arbeitsamt
meldet im Juli 1934 schnellen Vermittlungserfolg - dies die "Dankbezeugung gegenüber ihrem
Einsatz für den Nationalsozialismus".41'

Dem Bürgermeister stehen als Berater seit Herbst 1935 drei Beigeordnete zur Seite, ein
Rechtsanwalt als Erster Beigeordneter, ein (nicht der Partei angehörender) Fabrikant als
Zweiter, ein Kaufmann als Dritter. Nach der neuen Gemeindeordnung ist der Bürgermeister
der Führer der Gemeinde. Wahlen soll es nicht mehr geben. Die Stadträte sind "Ratsherren"
geworden ohne Entscheidungsbefugnis.

Der Stadt geht es finanziell weiterhin miserabel. Bürgermeister Boos schiebt die Schuld der
früheren Stadtverwaltung zu. die nicht rechtzeitig gegengesteuert und vor allem die Steuerfüße
bei Grundvermögen. Betriebsvermögen und Gewerbeertrag zu niedrig belassen habe. In einem
Schreiben an den Landeskommissär in Freiburg vom Februar 1935 bittet er um Zustimmung
der Aufsichtsbehörde für eine Erhöhung. Dem Landeskommissär klagt Boos bei der Gelegenheit
sein Leid über die Industrie in Lörrach. Die nämlich sei gut beschäftigt seit der "nationalen

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