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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 2.1990
Seite: 61
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-02/0063
In den Klassenzimmern hängt das Porträt des Führers. Den Lehrplan bestimmt die Partei.
Das wird nicht nur sichtbar im neuen geopolitischen Unterricht: sogar die Mathematik ist
ideologisch befrachtet. Von Januar 1934 an beginnen die Schulwochen mit Flaggenhissen und
markanten Worten der Rektoren. Der Samstag ist "Staatsjugendtag" geworden; statt Schule
steht HJ-Dienst an.

Wer anfänglich noch nicht der Hitlerjugend angeschlossen ist. muß am Staatsjugendtag
zwei Stunden die Schulbank drücken: Unterw eisung in das nationalsozialistische Gedankengut
: "Mein Kampf soll interpretiert werden. "Nichtarische Jugendliche sind befreit", heißt es
in einem Erlaß."' Juden sitzen in Lörrach bald überhaupt nicht mehr in den Klassen, sie
weichen nach Riehen aus.

9. Die Kirche gespalten

Von den Schulen zu den Kirchen. Die beiden Landeskirchen in Baden nehmen die
Beseitigung des Rechtsstaates und die Verfolgung der Regimegegner mehr oder weniger
schweigend hin. Insbesondere evangelische Pfarrer schließen sich begeistert der NSDAP an.

Die evangelische Jugendgruppen der Stadt werden im März 1934 im Gemeindehaus
feierlich in die Hitlerjugend aufgenommen. Reichsweit ist das angeordnet. Der katholischen
Jugend bleibt das zunächst erspart. Das von Hitler abgeschlossene Konkordat gewährt
Schonung.

Das Jahr 1934 bringt den Kirchenführungen Ernüchterung über die wahren Absichten der
Nationalsozialisten. Innerhalb der Evangelischen Kirche gibt es eine heftige Auseinandersetzung
zwischen jenen dem Nazitum zugeneigten "Deutschen Christen" und solchen Pfarrern
und Laien, die in der "Bekennenden Kirche" die Einflußnahme der NSDAP zurückdrängen
wollen. Für die Deutschen Christen haben bereits im Mai 1933 in Lörrach die Pfarrer aus
Wollbach und Steinen geworben, haben Hitlers "heroischen Geisteskampf gegen die ganze
Welt" herausgestellt.68' Viele in der Kirchengemeinde wollen diesen Geisteskampf vor den
Türen lassen, sehr zum Ärger der Partei. Es seien, so im "Oberbadischen Volksblatt 'in einem
Bericht über eine Versammlung der Evangelischen Kirche nachzulesen. "Wühlmäuse am
Werk in Tarnung der Bekennenden Kirche."691

Es gibt in der Tat in Lörrach eine Gruppe der Bekennenden Kirche, die gestärkt wird, als
1935 Hans Katz von Liedolsheim als Pfarrer zur Süd-Gemeinde versetzt und zugleich Dekan
wird - die Versetzung wurde wahrscheinlich von der Bekennenden Kirche Badens gesteuert.
Kirchengemeinderäte haben sich entschieden gegen Katz gewehrt, wollten den hiesigen Vikar
als Pfarrer haben - denn der ist dem Nationalsozialismus wohlgesonnen. Der Sohn von Hans
Katz. Paul Katz. erinnert sich an die Andeutungen des Vaters, wie kontrovers im Kirchenge -
meinderat diskutiert worden ist.

Dekan Katz predigt wie mancher seiner Kollegen 1940 gegen die Euthanasie-Aktion. Seine
Frau bangt um ihn. Die Familie hat zu der Zeit genug Hinweise darauf, daß die Gestapo
wachsam ist und das Telefon im Pfarrhaus abhört. Bekannte Prediger der Bekennenden Kirche
sprechen in Lörrach, so der Nürnberger Pfarrer Helmut Kern. Hans Katz holt ihn am Badischen
Bahnhof ab und fährt den ganzen Tag mit ihm herum, kommt erst zur abendlichen Veranstaltung
zurück in seine Pfarrei: Denn die Gestapo, dies ist zu Katz durchgesickert, hat Helmut
Kem für ein paar Tage festsetzen und unschädlich machen wollen. Alle größeren kirchlichen
Veranstaltungen sind vom Dekan ins Kinderheim Beuggen gelegt worden. Der schweizerische
Trägerverein läßt die Gestapo bis zum Krieg vor Zugriffen zurückschrecken. Nach Kriegsbeginn
fallen die Hemmungen weg. Auch in Beuggen kann sich die Bekennende Kirche nicht
mehr sicher fühlen.

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