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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 2.1990
Seite: 64
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-02/0066
Juden raus. Arier rein in die Betriebe

Die Polizei erhebt im August und September jenes Jahres, welche jüdische Betriebe noch
existieren in der Stadt. Weil gemäß Verordnung eine Kapitalgesellschaft bereits als jüdisch
gilt, wenn ein einziges Mitglied des Aufsichtsrats Jude ist. beeilen sich Unternehmen mit
vorsorglichen Erklärungen - so der Generaldirektor von KBC. der versichert, daß das einzige
frühere jüdische Aufsichtsratmitglied vor mehr als Jahresfrist schon ausgeschieden sei.75'

Auf einer Liste vom Oktober 1938 stehen noch 13 jüdische Betriebe. Die Polizei kommentiert
ihre Erhebungen so: "Mehrere jüdische Gewerbebetriebe sind schon seit längerer Zeit
eingegangen. Andere wiederum wurden in letzter Zeit arisiert und scheiden somit als jüdische
Betriebe aus". Die 13 mehr schlecht als recht laufenden Betriebe sind das Kleidergeschäft
Bloch und Sohn in der Schulstraße: die Buchdruckerei Seiinger in der Teichstraße: die
Eisenhandlung Regina Joseph in der Adolf-Hitler-Straße (Tumringer Straße): die Armaturen-
Großhandlung David Schwab in der Spitalstraße; das Textilgeschäft J. Weil senior in der
Adolf-Hitler-Straße: die Lebensmittelgroßhandlung Silas Meyer in der Schwarzwaldstraße
(hier korrigiert die Polizei nachträglich: Das Geschäft sei bereits im Mai an einen Arier
verkauft worden): das Textilwarengeschäft Benno Joseph in der Kreuzstraße; das Möbelgeschäft
Artur Joseph in der Schützenstraße: die Möbelhandlung Roll in der Grabenstraße; das
Möbelgeschäft Pistiner Nachfolger in der Turmstraße. Die Dentistin Frieda Joseph, der
Reisende Sigmund Grünzburaer und die Damenschneiderin Maria Grunkin stehen ebenfalls

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auf der Liste.

Im November 1938. unmittelbar nach dem Judenpogrom, zieht Berlin den Schlußstrich mit
einer "Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben". Anfang
1939 meldet die Schutzpolizei Lörrach an das Bezirksamt:" Die Voraussetzungen zur
Löschung im Verzeichnis sind bei allen 13 Betrieben gegeben". Acht Geschäfte sind aufgelöst
worden, fünf kurz vor der Verordnung noch in "nichtjüdische Hände" übergegangen.76'

Eine Ausnahme gibt es aber noch.

Maria Grunkin darf ihre Damenschneiderei vorerst weiterbetreiben in der Karlstraße
(Feldbergstraße) 32. Es ist dies möglich aufgrund einer Ausnahmeregelung für all jene
Gewerbetreibende, "die in Ausübung ihres Berufs in unmittelbare körperliche Berührung mit
dem Besteller kommen und deren Tätigkeit einem deutschblütigen Gewerbetreibenden im
Auftrag einer jüdischen Person nicht zugemutet werden kann" - so Bestattungsunternehmer.
Friseure. Schneider. Die Akten ermöglichen es. das Schicksal der Maria Grunkin noch weiter
zu verfolgen.

Nazis zerstören die Synagoge

Wer Jude ist und nicht zu tief verwurzelt in Lörrach, wer noch Kraft und auch Geld hat. der
versucht nach dem 10. November 1938 fortzukommen über die Grenze. Am 10. November
nämlich, morgens, zerschlagen Nationalsozialisten die Synagoge auf dem Marktplatz und
schänden die jüdischen Friedhöfe - ein reichsweiter Pogrom, der den Juden eine brutale
Warnung wird: Ein Hierbleiben in Sicherheit ist unmöglich geworden.

Wie dieser 10. November in Lörrach abgelaufen ist. kann trotz Strafverfahren nach dem
Krieg gegen zwölf mutmaßliche Täter nicht exakt beschrieben werden. Die Aktion (willkommener
Anlaß ist das Attentat eines polnischen Juden auf den Botschaftsrat Emst vom Rath in
Paris) wird zentral gesteuert. Weisungsgemäß dringen Nazis, die meisten SA-Leute in ziviler
Kleidung, in die Synagoge ein und zerstören, was zu zerstören ist. "Ebenso fiel die Lörracher
Synagoge der gerechten Volkswut zum Opfer", berichtet tags darauf "Der Alemanne". Viel

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