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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 2.1990
Seite: 66
(PDF, 30 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-02/0068
Im Dezember 1938 wird allen Juden "zum Schutz der Allgemeinheit" die Fahrerlaubnis
entzogen; bis Jahresende müssen sie ihre Führerscheine abgeben. Von den Juden in Lörrach
klingeln einige bei Paul Herbster: Der fotografiert ihnen, das hat sich herumgesprochen, ihren
Führerschein. Wenn sie nun emigrieren, können sie in der neuen Heimat belegen, daß sie eine
Fahrerlaubnis besessen haben.

Das Reich kassiert mit

Im Jahr 1939 sollen Juden ihre Grundstücke verkaufen. Die Stadt Lörrach meldet dem
Bezirksamt, welches Land sie selbst erwerben will - mit der Bitte verbunden, diesen
Eigentümern eine Verkaufsauflage zu machen.78*

Egal, wer der Käufer ist, vom Kaufpreis erhalten die Juden nur einen Teil. Wie Elise "Sara"
Willstädter (seit 1939 haben alle Frauen ihrem Namen "Sara" zuzufügen, die Männer dem
ihren "Israel") müssen sie ein Sperrkonto einrichten, auf das der Kaufpreis einzuzahlen ist.
1900 Reichsmark aus dem Grundstücksverkauf und 600 aus dritter Hand stehen auf dem Konto
von Elise Willstädter. Sie bekommt nur 1300 Reichsmark ausgezahlt. Zur Begleichung der
"Judenvermögensabgabe" werden im Dezember 1940 die restlichen 1200 an die Deutsche
Bank überwiesen zugunsten des Reiches. Zu der Zeit lebt Elise Willstädter schon unter
schlimmsten Bedingungen im südfranzösischen Lager Gurs.79)

Die Erben haben nach dem Krieg das Grundstück für 190 Mark (ein Zehntel des damaligen
Verkaufspreises, üblich dies) zurückerhalten. Das ist keine Ausnahme gewesen. Regelmäßig
sind die Gerichte davon ausgegangen, daß die Juden damals nicht aus freiem Willensentschluß
ihr Land verkauften.

Ein Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden (Mai 1939) soll zur "Entjudung des deutschen
Hauses" verhelfen. Grundgedanke ist. die Juden zusammenzulegen. Bürgermeister Boos
erläßt im Juni 1939 eine entsprechende Verordnung, das Rechnungsamt macht sich an die
Erhebungen. Ein einziger Wohnungstausch ist in der Akte "Mietverhältnisse mit Juden"
enthalten: In das Haus Schützenstraße 12 zieht eine weitere Jüdin ein: ihre alte Wohnung fällt
an einen Arier. Wohnungstausch ist bald nicht mehr nötig, das "Juden-Problem" wird auf
andere Weise gelöst.80'

Es wohnten derzeit 69 Juden in Lörrach, schreibt im Mai 1940, mehr als ein Jahr nach dem
Pogrom, das Einwohnermeldeamt an das Landratsamt. In diesen Monaten werden die Fesseln
noch straffer gezogen.

Ab dem 1. Oktober gilt für Juden ein Nachtausgehverbot zwischen 20 und 6 Uhr. Isaak Beck
bittet für drei Mitglieder seiner Israelitischen Gemeinde um Ausnahmegenehmigungen, weil
die sich schon ein paar Minuten vor sechs in der Früh auf den Weg zur Arbeit machen müssen.
Die Gestapo wird vom Landratsamt befragt. In dieser Sache dann ein Aktenvermerk des
Landratsamtes vom 24. Oktober 1940: "Die Juden aus dem Lande Baden wurden unter dem
22. ds. Monats nach dem unbesetzten Frankreich abgeschoben. Eine Beantwortung der
Anfrage erübrigt sich daher."8"

Endstation Konzentrationslager

An jenem 22. Oktober 1940 sollen Baden, die Rheinpfalz und das Saarland "judenfrei"
gemacht werden. Früh am Morgen holen in Lörrach Gestapo und Formationen der Partei die
Juden aus ihren Wohnungen zum Sammelpunkt Alte Handelsschule auf dem Marktplatz.82'
Von den neugierigen Beobachtern hört man vereinzelte Schmährufe auf die Juden, als alle

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