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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 2.1990
Seite: 68
(PDF, 30 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-02/0070
11. Bürgermeister in der NS-Zeir

Im Rathaus hängen die Porträts jener Männer, die als Bürgermeister oder Oberbürgermeister
für Lörrach gearbeitet haben. Reinhard Boos fehlt in der Galerie, der Bürgermeister im Dritten
Reich. Bis heute ist nur selten und dann verhalten darüber diskutiert worden, ob die Lücke noch
geschlossen werden sollte. Boos habe Lörrach keine Schande gemacht, sagt mancher. Andere
wollen sein Porträt an der Wand, weil sich die Stadt ihrer Geschichte stellen müsse.

Reinhard Boos. 1897 in Lörrach in einer Arbeiterfamilie geboren, acht Jahre Schule,
kaufmännische Lehre. Buchhalter, zweieinhalb Jahre als Soldat im Ersten Weltkrieg; bis 1921
dann Angestellter bei der Stadtverwaltung Lörrach, anschließend wieder Buchhalter und
kaufmännischer Geschäftsführer eines kleines Betriebs in Weil. 1930 übernimmt Reinhard
Boos die Ortsgruppe der NSDAP und ist von 1931 bis 1938 ehrenamtlicher NSDAP-Kreisleiter
, bis Kriegsende Gau-Einsatzredner. Boos hat 1938 die Arbeit eines Bürgermeisters jener
eines hauptamtlichen Kreisleiters vorgezogen. Zwölf Jahre lang, von 1933 bis 1945, zeichnet
er als Bürgermeister von Lörrach. Warum Boos in vorderster Reihe für den Nationalsozialismus
gekämpft hat. schreibt er nach dem Krieg nieder. Ihm als Deutschen und Sozialisten habe
nur noch das Programm der NSDAP einen Lichtblick bedeutet. An anderer Stelle notiert er:
"Wer jene Zeit mitgemacht, das heißt miterlebt hat. der weiß, daß es für das deutsche Volk
damals um die Frage ging: Bolschewismus oder Deutschland! Ich habe mich bewußt für
Deutschland entschieden im festen Glauben an das deutsche Volk und Vaterland! '

Der Hitler bringe den Krieg, haben viele in entscheidender Zeit gewarnt. Tatsächlich aber
hat Hitler zunächst den Mann des Friedens gespielt - was ihm jene eigentlich nicht abnehmen
durften, die "Mein Kampf gelesen und ernst genommen hatten. Für sein Entnazifizierungsverfahren
legt Reinhard Boos dar: Er sei der felsenfesten Überzeugung gewesen, "daß Hitler,
als ehemaliger Frontsoldat des Ersten Weltkriegs, niemals den Krieg wünschen oder gar führen
würde".

Nach dem Krieg "Minderbelasteter"

Lange nach dem Krieg hat Boos gegenüber dem Sozialdemokraten Michael Christi
eingeräumt, daß er sich für die falschen Leute eingesetzt habe - nach allem, was er nach dem
Krieg erfuhr. Es ließe sich daran die Frage anschließen, ob all jenes, was vor seinen Augen
abrollte, in seiner Stadt, ihm noch richtig schien oder zumindest vertretbar: vertretbar also die
Verhaftung politisch Andersdenkender und ihre Einlieferung in Konzentrationslager, vertretbar
die Entwürdigung und Vertreibung der Juden? Dem Badischen Staatskommissariat für
politische Säuberung (Spruchkammer Freiburg) trägt Reinhard Boos 1949 vor. er habe nie
Mißhandlungen oder Ausschreitungen gutgeheißen, organisiert oder befohlen. Und Boos kann
belegen, daß er sich in vielen Fällen erfolgreich bemüht hat. im Gefängnis oder Konzentrationslager
eingesperrte Lörracher wieder frei zu bekommen: Sozialdemokraten. Kommunisten
und auch einen ehemaligen Zentrumsmann. Die Befreiten selbst oder enge Angehörige
haben dies Boos bestätigt mit ihrer Unterschrift.

Für die Spruchkammer Freiburg des Staatskommissariats für politische Säuberung sind
diese Belege von großer Bedeutung gewesen. Reinhard Boos ist als "Minderbelasteter"
eingestuft worden - wobei ihm zugute gehalten wurde, daß er nach 1938 kein Amt in der Partei
mehr ausgeübt hat. Aus der weiteren Begründung der Spruchkammer: "Zwar war der
Betroffene ein überzeugter Nationalsozialist und hat sich als solcher, besonders in den Jahren
vor 1933. rückhaltlos für den Aufstieg der Partei eingesetzt. Auch durch seine Tätigkeit als

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