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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 2.1990
Seite: 70
(PDF, 30 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-02/0072
Reinhard Boos und die Juden

Boos und die Juden. Wie gegenüber Kommunisten ist seine Sprache die eines eingefleischten
Nationalsozialisten. Ein Beispiel aus dem September 1940 (im Oktober dann werden die
Lörracher Juden auf Lastwagen fortgeschafft). Die Stadt will von der Jüdischen Gemeinde
ihren alten Friedhof am Schützenwaldweg kaufen, einebnen und von den Grabsteinen einige
auf den neuen Judenfriedhof überführen. Als der örtliche Denkmalpfleger Julius Wilhelm
anregt, alles zu belassen und aus dem Judenfriedhof einen Naturschutzpark zu machen, gerät
der Bürgermeister in Rage. Nie hätten sich die Juden um ihren Friedhof gekümmert, schreibt
Boos an den Landrat. Und weiter: "Das liegt im Wesen dieser Rasse begründet. Die Pflege von
Grabstätten gehört bekanntlich nicht zu den einträglichen Geschäften. Wogegen ich mich
wenden muß. ist. daß ausgerechnet auf diesem Platz ein Naturschutzpark errichtet werden soll.
Durch diesen Dreh würde erreicht, daß das Gedenken an die Juden, die übrigens der
Naturschutzbewegung von jeher innerlich völlig fremd gegenübergestanden sind, wach
gehalten wird. Das Deutschland von heute wünscht jedoch nicht, an dieses fremde Volk
unseligen Angedenkens erinnert zu werden, das mit allen Mitteln die völkischnationale
Entwicklung der Deutschen gehemmt und seine heiligsten Güter lächerlich gemacht, sich
überhaupt so benommen hat. daß sein Gedankengut von unseren außerstaatlichen Feinden zum
Kampf gegen uns übernommen werden konnte, ganz zu schweigen von der planmäßigen
Aussaugung und Ausraubung während der jüdischen Herrschaft während und nach Beendigung
des Weltkrieges."1*6'

Doch Boos zeigt sich (wie gegenüber den Kommunisten) auch von einer anderen Seite. Er
hat - so erzählt man noch heute - seine jüdische Schulkameradin Ida Bigar geschützt, die in
"Mischehe" als Ida Backhaus in Lörrach die Schrecken des Dritten Reiches überlebte.

Ein überzeugter Nationalsozialist ist Reinhard Boos, der "innerlich tief ergriffen" Aug'in
Aug'mit dem Führer steht - in Köln dies. 1936.87' Sein Lörracher Rathaus will er durchdrungen
sehen vom neuen Geist, und er reagiert deshalb auch hart, wenn Widerstand sich zu regen
scheint. So will Boos trotz Einsprüchen den Rathaus-Mitarbeiter Alfred Ebner mit einer
Geldstrafe belegen, weil dereinen Kiesweg in seinem Garten gerecht hat. abends am 13. Juli
1934 - gerade als Adolf Hitler im Radio über den "Röhm-Putsch" vom 30. Juni spricht. "Nicht
die Störung der Übertragung soll hier geahndet werden, sondern die wirklich traurige
Gesinnung soll bestraft werden", erläutert Boos dem Landeskommissär in Freiburg.88'

Einer Dienstenthebung knapp entgangen

Reinhard Boos ist in späteren Jahren umstritten in der NSDAP. Er sei eben kein "scharfer
Nazi" gewesen, er habe die Kirche im Dorf lassen wollen, versichern Lörracher. die Boos
damals erlebten. Boos selbst schreibt für sein Entnazifizierungsverfahren auf. er sei 1942 sogar
einmal abgesetzt gewesen als Bürgermeister, weil er oft seine Auffassung gegen Anordnungen
der Partei durchgesetzt habe. Viel gefehlt hat offenbar nicht zur endgültigen Dienstenthebung:
und es hat den Anschein, seine Prozessierfreudigkeit (etwa im Falle seines Vorgängers Graser.
dem er erfolglos Dienstpflichtverletzungen vor 1933 vorwirft) hat Boos ein gutes Stück dorthin
gebracht. Am 13. Juli 1942 aber, nachdem Boos bei Reichsstatthalter Robert Wagner in
Karlsruhe vorgesprochen hat, fällt die Entscheidung zu seinen Gunsten. Wagner verlängert
nochmals Boos Amtszeit (gewählt wird ja schon lange nicht mehr), verlangt aber eine straffere
Amtsführung, enge Zusammenarbeit mit den Dienststellen der Partei, einwandfreie Personalpolitik
und Vorkehrungen, um Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung ein für alle Mal
auszuschließen.

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