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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 2.1990
Seite: 82
(PDF, 30 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-02/0084
lehnten bei solch schlechter Lebensmittelversorgung die (fortan von den Betrieben geforderten
) Schanzarbeiten ab - "abgesehen davon", liest der Bürgermeister, "daß die Förderer und
Anhänger des Hitler-Systems nachgewiesenermaßen ohne zu arbeiten in der Stadt herumspazieren
und sich bis jetzt an den Samstagen von den Schanzarbeiten zu drücken wußten (...)"

Zweifelhaft, ob das im Großen so gewesen ist. Im Stadtarchiv jedenfalls finden sich
ungezählte Listen mit Dienstverpflichtungen für Parteigenossen. Auch die Frauen sind nicht
vergessen. Mitglieder der NS-Frauenschaft treffen sich fast täglich mit Putzzeug im heutigen
Hans-Thoma-Gymnasium. wo gleich nach der Besetzung Polen untergebracht sind. Andernorts
müssen sie französischen Offizieren die Betten richten und für sie kochen. Ein Hermann
Burte bleibt ebensowenig verschont: Im Schwimmbad hat er Gras zu rechen.

Aus dem Verwaltungs- und Schuldienst werden Nationalsozialisten entlassen oder suspendiert
bis zur Beendigung des Reinigungsverfahrens. Im Amtsblatt der Militärregierung vom
19. August 1945 sind die ersten Namen der Entlassenen zu lesen. Reinhard Boos unter ihnen.
Die Lücken im Rathaus und in anderen Verwaltungen, ebenso in den Schulen, werden von
heimkehrenden Soldaten gefüllt. Aber auch die jetzt Entlassenen kehren später zum großen
Teil wieder zurück an ihre alte Arbeitsstelle, mehr oder weniger gerupft im Reinigungsverfahren
.

Entnazifizierung macht böses Blut

Im November 1945 beginnt der Nürnberger Prozeß, und spätestens jetzt erfährt jeder von
den Verbrechen im NS-Staat. Zur gleichen Zeit läuft die politische Säuberung des deutschen
Volkes an. die Entnazifizierung. Zunächst haben von den über 18jährigen die meisten einen
Fragebogen über die Mitgliedschaft in der NSDAP auszufüllen. Auf dieser Grundlage arbeitet
ein Untersuchungsausschuß vor Ort Sühne Vorschläge aus. Über die Bestrafung entscheidet in
letzter Instanz die Militärregierung in Freiburg. Die Überprüften werden eingestuft in die
Kategorien Hauptbelastete. Belastete. Minderbelastete. Mitläufer und Unbelastete. Im Katalog
der Sühnemaßnahmen finden sich Haft. Berufsverbot. Versetzung, Rückstufung. Geldstrafe
und Verlust des passiven Wahlrechts.

Die Entnazifizierung macht böses Blut. Der eine wird zur Rechenschaft gezogen, der andere
nicht. Bei den ungeheuer wachsenden Aktenstößen fällt es der Spruchkammer in Freiburg
schwer, jeden Einzelfall ausreichend zu erhellen. So beklagt im Juli 1947 der Untersuchungsausschuß
Lörrach in einem Brief, daß die bisher in Freiburg getroffenen Entscheidungen
entweder nach dem nackten Fragebogen, nach einseitig eingeholten Beurteilungen oder auf
Grund miserablen Denunziantentums getroffen worden seien.

Es finden sich keine Aufstellungen darüber, wieviele Nationalsozialisten aus der Stadt das
Reinigungsverfahren durchlaufen haben. Wie überhaupt - nach gut 40 Jahren - nur schwer der
Gang der Entnazifizierung noch auszuleuchten ist. Gewiß ist, daß die Strafen mit wachsendem
Abstand zum Kriegsende milder werden und ein Teil der ehemaligen Parteimitglieder nach
harten ersten Entscheidungen schließlich noch aufatmen kann. So wie ein Handwerker der
Stadt, der im April 1947 noch folgenden Bescheid über seine "politische Reinigung" erhalten
hat: Einzug des gesamten Vermögens: dauerndes Verbot, eine leitende oder selbständige
Tätigkeit auszuüben; Auflage, sich für fünf Jahre dem Arbeitsamt für Sondereinsätze zur
Verfügung zu stellen. Im Oktober 1948 folgt aber die endgültige "Säuberungsbescheinigung":
Nur Mitläufer sei der Mann gewesen. Sühnemaßnahmen brauche es nicht. Glück gehabt.

Manchen helfen "Persilscheine". Wer irgend kann, läßt sich gute Taten während des Dritten
Reiches mit Unterschrift bestätigen und legt die Blätter in seinem Verfahren vor. Nicht immer
entspricht der Inhalt ganz der Wahrheit: man hilft sich gegenseitig. Daß einer hinsteht und

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