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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
52.1990, Heft 2.1990
Seite: 169
(PDF, 30 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1990-02/0171
Offizielle und 120 Bürger aus Weil und den betroffenen Markgräfler Gemeinden in Markdorf

Erinnerungen an das schreckliche Unglück

Enthüllung eines schlichten Gedenksteins für die 101 Opfer des Zugunglücks
vor 50 Jahren

Weil am Rhein/Markgräflerland. ml. "Mit den Namen Markdorf. Lipach und Kluftern
verbindet Sie die Erinnerung an Schreckliches, möge daraus eine Verbindung in Freundschaft
werden." Die Worte von Leo Benz. Ortsvorsteher von Kluftem. faßten die Eindrücke von 120
Bürgern aus Weil und den Gemeinden und Ortschaften Binzen. Fischingen. Haltingen und
Welmlingen zusammen, die zur Einweihung eines schlichten Gedenksteins an den Ort
gekommen waren, an dem vor 50 Jahren 101 Menschen aus ihrer Heimat den Tod fanden. Die
Fahrt mit dem Sonderzug begann als eine Reise in die Vergangenheit, gestaltete sich zur
Wanderung in die Gegenwart und öffnete Pforten zu einer Zukunft in Freundschaft. Sie wurde
nicht zuletzt zu einer Begegnung zwischen Opfern und Helfern, die sich nach so langer Zeit
zum ersten Mal die Hände reichen konnten.

Efringen-Kirchen. Haltingen. Weil am Rhein und Rheinfelden waren die Zusteigebahnhöfe
für die Beteiligten und Angehörigen der Insassen des Unglückszuges aus Binzen. Fischingen.
Haltingen. Welmlingen und Weil am Rhein, der am 22. Dezember 1939 um 22.19 Uhr
verunglückt w ar. Erlebnisse wurden während der Fahrt entlang des Hochrheins, des Bodensees
ausgetauscht, die Schrecken lebten noch einmal auf. aber auch die Umsicht, mit der damals die
Verunglückten handelten. So berichtete Walter Stöcklin aus Rümmingen, wie er mit seinem
Vater die im Stroh liegenden Toten im Güterschuppen von Markdorf identifizieren mußte. Am
Ehering erkannten beide schließlich die Mutter Marie, die Schwester Liselotte war an
Unterkühlung gestorben. Hans Krebs aus Binzen (damals 9 Jahre) erinnerte sich: "Wir waren
in Oberstdorf in den vorderen Zugteil eingestiegen, dort gab die Zugheizung mehr Wärme ab."
Für ihn wurde der Wunsch nach einem warmen Platz zum Lebensretter, denn ab Lindau lief
der Wagen am Schluß des Unglückszuges.

Es hatte etwa sechs bis acht Grad minus. Dichter Nebel herrschte, und die Gaslichter waren
beim Aufprall sofort erloschen, "aber wir hatten Kerzen", erinnerte er sich weiter. Der Vater
hüllte die Familie in vier Wolldecken, und sagte: "Laßt die Fenster zu und geht nicht hinaus."
Es selbst beteiligte sich an den Rettungsarbeiten. Hans Krebs erinnert sich noch, wie der Vater
mit blutverschmiertem Rücken zwischendurch nach seiner Familie sah.

Wie am Unglückstag vor 50 Jahren hüllte dichter Nebel die Landschaft ein. als die zwei
Busse mit den Fahrtteilnehmern Lipach erreichten. Kurz war der Weg durch das Neubaugebiet
"Im Häldele" und damit in die Gegenwart. Schmucke Häuser rechts und links der Straße, deren
Einmündung die Freiwillige Feuerwehr für die Gäste freihielt. In der Mitte des Wendeplatzes
steht der verhüllte Gedenkstein, zwischen den Fahnen Baden-Württembergs und Friedrichshafens
am Mast.

Bernd Wiedemann. der Oberbürgermeister Friedrichshafens, schlug die Brücke in die
Gegenwart. Wenige Meter vom Ort des schrecklichen Unglücks entfernt, das 700 Menschen
ereilte, die aus der Fremde, in der sie nicht immer freundlich behandelt wurden, heim wollten.
Ein Bild des Grauens bot damals die Stätte, an der nach seinen Worten 106 Menschen den Tod
fanden. Dankbarkeit erfülle die Überlebenden. Er bat, die Tage der Nähe nicht auf Weihnachten
zu beschränken, denn so wie einstmals die Menschen aus dem Markgräflerland Flüchtlinge
waren, leben heute unter uns die Übersiedler. "Es sind auch ehemalige Helfer dabei", sagte
Wiedemann bei der Feier, die der Musikverein Kluftem unter Leitung von Otto Feierabend mit
"In Memoriam" eröffnete.

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