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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
53.1991, Heft 1.1991
Seite: 75
(PDF, 33 MB)
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des Menschen des 19. Jahrhunderts aufbauen konnte. Dabei galt es Zweierlei zu überwinden:
Die tändelnde höfische Kunst der oberen Stände, die oft nur sinnliche Lust und Reize zu
vermitteln bestrebt war, und das Chaos der Lebensformen breiter Bevölkerungsschichten,
wie sie aus den sich zwangsläufig wandelnden Strukturen der werdenden Industriegesellschaft
sich für dieses Jahrhundert abzeichneten.

Die Rückbesinnung auf die Natur, wie sie dem Ideal Rousseaus entsprach und eine
Neugeburt der Landschaftsmalerei zur Folge haben mußte, war die eine Seite. Der Klassizismus
als Künder großer Ideen und humanitärer Gedanken nach antikem Vorbild setzte
andererseits seine Zeichen für ein neues Lebensgefühl und Selbstverständnis der Menschenwürde
.

Teils auseinanderdriftend, aber doch wieder gemeinsame neue Wege und Formen suchend
, tasteten sich die verschiedenen Stilrichtungen des 19. Jahrhunderts weiter. Landschaftsmaler
. Vedutenkunst, Nazarener und Klassizisten, zahlreiche Textillustratoren, die
Portraitmalerei und nicht zuletzt die Romantiker und Realisten prägten letztlich auch Genre -
und Historienmaler wie Friedrich Kaiser.

Es ist das Verdienst der Genremalerei - und dazu zählen alle nicht-historischen Motive von
Friedrich Kaiser mit den dörflichen Straßenszenen - den Blick für das Volk und seine Umwelt
zu öffnen und zu schärfen, auf die Schönheiten der Natur aufmerksam zu machen und so eine
Brücke zwischen Romantik und Naturalismus zu schlagen. Friedrich Kaiser gehört mit
seinen frühen Bildern zu den Entdeckern einer ausdrucksvollen Mienen- und Gebärdensprache
, die sich nicht hinter der Form konventionell-gesellschaftlicher Abgegriffenheit verbirgt
. So wird diese Malerei zu einer Gegenbewegung der nazarenisch-romantisehen
Periode.

Aus dieser Genremalerei ist als Kind des 19. Jahrhunderts und von einem neuen
historischen Bewußtsein gefördert die Historienmalerei hervorgegangen, zumindest in der
damals entstandenen thematischen Breite. Die Malerei von Menzel wie von Kaiser und
anderen als "Historienmaler" in die Kunstgeschichte eingegangenen Künstlern war zu einem
beachtlichen Teil auch nur diesem Thema des Alltags, der Idylle, der Arbeitswelt gewidmet
- also fern von dem großen historischen Spektakel oder beweihräucherten Schlachtengetümmel
.

Was Friedrich Kaiser aus dieser Schule für die Historienmalerei zugute kam. war die
portraitgetreue und lebensnahe Darstellung aus der meist unmittelbaren Anschauung der
Ereignisse. Beringers "Badische Malerei von 1770 bis 1920" bescheinigt Kaiser zunächst
"flotte, korrekte Zeichnung" und "effektvoll-dekorative Malerei". Er fährt dann aber fort:
"Die Werke Kaisers haben weder in der Komposition noch in der Farbe etwas Bestechendes.
Die künstlerisch nicht frei entwickelte, aber klare Kompositionsart und seine nüchterne
Farbengebung waren der Ölmalerei wenig günstig. Im Aquarell und in der Zeichnung
entfaltet Kaiser sympathischere Qualitäten."

Den größeren künstlerischen Elan zeigt Friedrich Kaiser zweifellos in seinen Zeichnungen
in Blei und Tusche, seinen Lithographien und gelegentlichen Aquarellen. Was an seiner
Ölmalerei besticht und diese historisch interessant macht, ist die fast akribische Wirklichkeitstreue
dieser Momentaufnahmen, die uns mehr als jede literarische Schilderung eine
Vorstellung von den großen Stationen unserer Geschichte wiedergeben. Es ist also wiederum
das zeichnerische Element in diesem Malstil, das uns diese Bilder wertvoll und unersetzlich
macht.

Ein wenig fühlt man sich bei Kaisers Werk auch an die Kritik von Karl Scheffler über
seinen großen Nebenbuhler Menzel erinnert: "Wir stehen vor einer Urkraft, die genügt hätte,
einen großen Meister der Weltkunst zu machen, sehen diese elementare Energie aber
dauernd in provinzielle Enge gebannt: wir sehen ein Lebenswerk, das mehr deutsch als

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