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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
53.1991, Heft 1.1991
Seite: 116
(PDF, 33 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1991-01/0120
"Allgegenwärtigkeit" Karl Friedrichs wirkte überall belebend und antreibend. Und in dieses
Karlsruhe kommt Hebel. Bald aber veränderten die unruhigen Zeitgeschehnisse die Stadt; sie
wird Heerlager der Truppen Napoleons, Ziel massenhaft einströmender Neubürger. 1806
schließlich Hauptstadt eines nicht organisch gewachsenen Großherzogtums.

Äußerlich davon unberührt, lebt Hebel tagsüber der Pflicht, abends der Neigung in seiner
Junggesellenwohnung, wo der "Bierkrug gute Nachbarschaft mit der Bibel hält", oder beim
"Bärenwirt" und beim Klingeiberger. Aber wie sieht es in ihm selbst aus? Da ist ihm die Stadt
etwas Fremdes, nicht zu ihm Gehöriges: "Ich laufe in dem Geräusch der Stadt umher,
allenthalben umgeben von Häusern und Mauern, die doch noch den Vorteil haben, daß sie
meinem Auge... das leere, tote Wesen der ganzen Gegend verbergen." Und nach Straßburg
schreibt er: "Ich stecke immer in einem Geschäft. Hab' nie Vakanz. Denn ich muß schreiben,
schreiben. Scheiben..." In solch einer Stimmung flieht er dann an den Rhein, an den Rand des
Schwarzwaldes, und auf dem Dobel formt 1799 die Sehnsucht ihn zum Dichter.

Die alemannischen Gedichte entstehen und erscheinen 1803. Aber diese Gedichte, die
neben dem rein Poetischen auch das psychische und pädagogische Moment in ihre Zielsetzung
einbezogen, nämlich "auf die Landleute zu wirken, ihre moralischen Gefühle anzuregen
und ihren Sinn für die Natur zu wecken und zu veredeln", sind nicht Mittelpunkt dieser
Betrachtungen, so reizvoll dies wäre. Aber wir wissen es alle, und es braucht deshalb nicht
ausgeführt zu werden, daß sich wie ein roter Faden ein moralpädagogischer und volkserzieherischer
Zweck durch die Dichtungen Hebels zieht und ins Sprachliche ausstrahlt. Der
Lyriker und Pädagoge in Hebel bilden jene schöne Einheit, die durchaus nicht selbstverständlich
ist. Pädagogik und Dichtung, zwei nicht immer leicht zu einende Elemente, werden von
ihm im Hinblick auf ihr gemeinsames Ziel, Emporbildung des Menschengeschlechtes,
gesehen in menschlicher Weisheit und Güte:

Und wenn de am e Chrützweg stohsch
und nümme weisch. wo's ane goht.
halt still und froog dy Gwisse zerst,
's cha Dütsch gottlob, un folg sym Root!

Große Aufgaben warten nun auf Hebel in Karlsruhe, der Dichter, der Lehrer, der Pfarrer,
sie alle wollen, sollen und müssen tätig sein.

Da ist zunächst die Arbeit am "Badischen Landkalender", dem Druckwerk des Landes. Oft
mehr verbreitet als Bibel und Fibel, war er in jedem Haus als zerlesenes Exemplar zu finden.
Aber er war ein Kalender mit dem Untertitel "Hochfürstlich Markgräflich Badenscher
Gnädigst Priviligierter Landkalender für die Markgrafschaft lutherischen Anteils", und das
war ihm mehr und mehr zum Nachteil geworden. Als sein Herausgeber zeichnete das
Gymnasium illustre, das auch die Einnahmen einstrich. Als schließlich der Kalender, in
seinem Niveau immer mehr sinkend, mit Polizeimaßnahmen den Leuten zum Kauf aufgezwungen
wurde, verfügte Minister Brauer aus dem Ministerium: "Hebel soll dabei sein!"
Und dieser war dabei mit seiner ganzen Persönlichkeit. So wird aus Hebel der Kalendermann
im besten Sinne des Wortes, vom "Rheinischen Hausfreund auf das Schaltjahr 1808" bis zur
Niederlegung der Arbeit 1815. Und dieser "Hausfreund" wird ein wirklicher Volkskalender:
Sonnen. Planeten, Spinnen, Eidechsen, Rechenexempel, Scherzfragen, Schnurren, Philosophie
des Alltags und vor allem Geschichten über Geschichten sind sein bunter Inhalt, recht
das Geeignete für die langen Abende dieser an sich ruhelosen und doch uns Heutigen so
geruhsam erscheinenden Zeit. Und als 1811 das Schönste daraus als "Schatzkästlein des
rheinischen Hausfreundes" gesammelt herauskommt, ist Hebel aus dem Kalendermann ein
echter Volksfreund. Volksmann und Volkserzieher von breiter und tiefer Wirksamkeit
geworden.

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