http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1991-01/0163
Pater Marquard Herrgott und die Salpeterer
Helmut Bender
1694 als Sohn eines Freiburgers Chirurgen und Ratsherrn geboren, studierte Marquard
(eigentlich Johann Jakob) Herrgott Theologie in Straßburg und trat 20jährig ins Benediktinerkloster
St. Blasien ein. In Paris und Rom vertiefte er seine Studien, nach seiner Rückkehr
wurde er Klosterbibliothekar und Hofkaplan. Seine Absicht, eine vaterländische Kirchengeschichte
abzufassen, wurde 1728 dadurch vereitelt, daß man ihn zur Wahrung der Interessen
des Klosters und der breisgauischen Stände an den Wiener Hof delegierte. Seine Gewandtheit
und sein diplomatisches Geschick wurden gerühmt, darüber hinaus fand eine von ihm
verfaßte Genealogie über das Haus Habsburg berechtigten Anklang. Ihm verdankte St.
Blasien auch die Erhebung zur Fürstabtei sowie den Erwerb der vorderösterreichischen
Kameralherrschaften Staufen und Kirchhofen. In der Ära der Kaiserin Maria Theresia fiel
Herrgott allerdings in Ungnade, man entließ ihn nach St. Blasien und empfahl, ihm dort ein
neues Amt und neue Würde zu geben. Er wurde zum Cellerarius (=Kellermeister) ernannt,
und man übergab ihm die Propstei Krozingen und die damit verbundene Statthalterei über
die Vogteien Staufen. Grunern. Ballrechten. Offnadingen, Pfaffenweiler, Scherzingen und
Kirchhofen. Der Deutschordensbaumeister Bagnato erhielt von ihm den Auftrag, die
Krozinger Propstei zu renovieren. Mit Sicherheit übersiedelte Herrgott 1754 nach Krozingen
, wor er sich weiterhin seinen historischen Studien zuwandte und an seinem 68.
Geburtstag (am 9. Oktober 1762) verstarb.
Herrgott hat zweifellos hohe wissenschaftliche Verdienste (der 4. Band seiner Habsburg-
Denkmale ging allerdings beim St. Blasianischen Klosterbrand anno 1768 zugrunde. Abt
Martin Gerbert hat das Werk dann fortgesetzt, der abschließende 5. Band ist nie erschienen).
Darüber hinaus gelang es Herrgott, den Wiener Hof in gewisser Weise gegen die Salpeterer
zu gewinnen - und das war allerdings ein weniger rühmliches Verdienst - wie wir im
nachhinein konstatieren müssen.
Bekanntlich setzten die Kämpfe der Hauensteiner bzw. Hotzenwälder schon Jahrhunderte
zuvor, im Bauernkrieg, ein. Dem Kloster St. Blasien war es im Lauf der Zeit gelungen, große
Gebietsteile der Grafschaft Hauenstein zu erwerben. Zahlreiche Privilegien wurden kassiert,
aus freien Bauern wurden mehr und mehr "Gotteshausleute", d.h. Leibeigene.
1726 hatte der Salpetersieder Johann Fridolin Albiez seine Wiener Reise unternommen,
um dort die Klagen der Hauensteiner vorzutragen. Er kehrte, ohne etwas erreicht zu haben,
in seine Heimat zurück und wurde in Freiburg inhaftiert, wo er ein Jahr später verstarb.
Inzwischen wurde dem neugewählten Abt Franz II. die Huldigung verweigert, vergebens bat
man. das "Leibeigen" in den Urkunden zu streichen. Erneut zogen vier Abgeordnete der
Salpeterer nach Wien, wo sie auch eine Audienz bei Kaiser Karl VI. erreichten, jedoch
empfahl man am Hof. die Hauensteiner wieder möglichst rasch nach ihrer Heimat abzuschieben
. Während dieser für das Kloster gefährlichen Situation entschloß man sich in St. Blasien,
Herrgott nach Wien zu entsenden. Sogleich mußte Pater Marquard feststellen, daß man dort
die Ansprüche des Klosters nicht unbedingt guthieß. Kam hinzu, daß der Instanzenweg auch
für ihn sehr kompliziert war. So sehr Herrgott antichambrierte und so häufige Eingaben und
Memorialen er auch inszenierte - man wollte erst ein Gutachten des in Mittelinstanz
zuständigen Innsbrucker Geheimen Konsistoriums abwarten. Dies traf dann Mitte April ein.
und zwar mit dem Resultat, demzufolge die Hauensteiner St. Blasien zu huldigen hatten,
allerdings sollte "leibeigen" in "eigen" und "tot und lebendig" in " zu allen und zu jeden
Zeiten" abgewandelt werden.
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