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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
53.1991, Heft 2.1991
Seite: 83
(PDF, 32 MB)
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schließlich: welches sind die Grenzen, die Aufklärung und Humanität in dieser Situation
gesetzt sind? Grundlage des folgenden Abrisses sind die Auszüge aus Raphaels Aufzeichnungen
, die 1985 unter dem Titel "Lebens-Erinnerungen" in der Edition Qumran des
Campus-Verlags Frankfurt/New York erschienen sind. Der Buchtitel darf freilich nicht allzu
wörtlich genommen werden, bietet der Band doch keinen zusammenhängenden Lebensbericht
; gerechtfertigt ist er allein aufgrund der hohen autobiographischen Authentizität, die
Raphaels Schreiben jenseits seiner philosophisch-kunstwissenschaftlichen Publizistik zukommt
. So bilden namentlich Raphaels Briefe aus dem französischen, spanischen und
amerikanischen Exil, seine Notizbücher sowie vor allem die zur Rede stehenden Lörracher
Kriegstagebücher von 1914/15 den Kern jener Selbstaussagen, mittels derer Raphael sich
"ohne thematische, disziplinarische und methodische Einengung ausschreiben" (S.17)
konnte.

Der Aufenthalt Raphaels in Lörrach - von Mitte August 1915 bis Mitte Juni 1917. also nur
knapp zwei Jahre - war, wie erwähnt, kein selbstgewählter. Vielmehr mußte Raphael die
militärische Einberufung an diesen Ort als gewaltsame Beendigung seines - ihm freilich als
Intermezzo bewußten - Aufenthalts in Bodman am Bodensee empfinden. Dort hatte sich der
1889 in Schönlanke/Posen geborene Raphael im März 1914 als Privatgelehrter und Schriftsteller
niedergelassen, nachdem er 1913 mit seiner Bemühung um eine Promotion im Fach
Kunstwissenschaft gescheitert war. Ursprünglich hatte Raphael Jura und Nationalökonomie
studiert, sich dann aber philosophischen und kunstgeschichtlichen Fragestellungen zugewandt
, die u.a. von ausgedehnten Reisen (1909 nach Italien. 1910 nach Holland und an den
Niederrhein, 1911 nach Frankreich) bestimmt waren. In deren Verlauf lernte er u.a. Max
Pechstein kennen: folgenreicher wurde für ihn jedoch die Bekanntschaft mit Picasso und die
Entdeckung von Cezanne und Matisse. Als Raphael aus Frankreich zurückkehrte, brachte
er das Manuskript seines ersten Buches "Von Monet zu Picasso" mit. das 1913 im Delphin-
Verlag München erschien und laut Untertitel "Grundzüge einer Ästhetik und Entwicklung
der modernen Malerei" entwarf. Daß sein Lehrer Heinrich Wölfflin diese Arbeit als
Dissertation abgelehnt hatte, erwies sich für Raphael als folgenreich: so blieb ihm. Walter
Benjamin vergleichbar, eine akademische Laufbahn auf Lebenszeit verschlossen. Der so auf
die Existenz eines Privatgelehrten Verwiesene blieb auf Vorträge. Veröffentlichungen und.
dies vor allem in den Jahren 1924-1932, auf eine vorwiegend philosophische und kunsttheoretische
Lehrtätigkeit an der Berliner Volkshochschule angewiesen. Nach einem in den
zwanziger Jahren erneut aufgenommenen Studium der Mathematik und Physik. Davoser
Kuraufenthalten und neuerlichen Reisen, auf denen er sich in Süditalien mit antiker Kunst
beschäftigte, ging Raphael 1932 nach Paris. Damit nahm er nicht nur sein Exil vorweg, das
wenig später ohnehin erforderlich geworden wäre, sondern reagierte auch auf die Absetzung
seiner Volkshochschul-Kurse aus politischen und rassischen Motiven.

Auch diese nun folgende "beste Zeit meines Lebens" (Raphael), die er mit Ausnahme
einiger Reisen bis 1940 in Paris verbrachte, gönnte ihm wenig mehr als das Existenzminimum
und enthielt ihm, von einigen Kunstvorträgen im Louvre abgesehen, praktisch
jedwedes öffentliche Echo vor. 1933 publizierte Raphael "Proudhon Marx Picasso. Trois
etudes sur la sociologie de!' art": im Jahr darauf folgte "Zur Erkenntnistheorie der konkreten
Dialektik", während seine "Ästhetik der romanischen Kirchen in Frankreich" von 1935
unveröffentlicht blieb, ebenso wie seine nur in Auszügen durch die "Basler Nationalzeitung"
veröffentlichten Studien zu Flaubert.

Nach Beginn des Frankreichfeldzugs wurde Raphael als Emigrant erfaßt, aber wegen
seiner Lungenkrankheit nach Hause entlassen. Die Einnahme von Paris durch die Deutschen
machte - zusammen mit seiner Frau Emma, die er in Frankreich kennengelernt hatte - die
Flucht in den unbesetzten Süden Frankreichs notwendig - auch hier teilte er wiederum das

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