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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
53.1991, Heft 2.1991
Seite: 91
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1991-02/0093
Auszüge aus dem Kriegstagebuch Max Raphaels

Lörrach. 13. VIII. 15

[...] Gegen 10 Uhr abends wurden wir in L...ausgeladen. Auf dem Bahnhof teilte man uns
der Länge nach in Korporal Schäften und führte uns ins Quartier, einen Gasthaussaal, in dem
über zwei umfangreichen Eßkesseln ein winziges Licht brannte. Ich legte mich unter dem
Druck der breiten und hohen Dunkelheit sofort auf den Strohsack, den man mir anwies und
schlief zwischen den 32 essenden und schwatzenden Neulingen allmählich ein.

14. VIII. 15

Ich erwachte um 5 Uhr und sprang gegen meine Gewohnheit, die ersten Augenblicke des
Tages fromm zu verträumen, sofort aus dem Stroh. [...]

Wir wurden zur Einkleidung geführt. Zunächst standen wir auf dem Platz vor dem
Bezirkskommando herum: dann wurden wir in einen schmalen Gang geschoben, wo unsere
Personalien aufgenommen wurden; endlich verpaßte man uns unsere feldgraue Uniform,
wobei alles in einem unübersichtlichen Kunterbunt durcheinanderging. Suchten wir uns aber
selbst zu helfen, so wurden wir angebrüllt. Schließlich waren wir doch fertig, sahen uns an
und lachten mit ausgelassenen Redensarten über einander, um ein innerliches Weinen zu
verstecken. Wir wurden in einen Hofraum gebracht, der kleiner ist als der Schlafsaal. dunkel
gedeckt, und angefüllt mit Gerüchen von Küche. Pissoir und Abtritt. Es wurde uns befohlen,
ihn nicht mehr allein zu verlassen, bis wir gelernt haben, wie Vorgesetzte aussehen, und wie
wir sie zu grüßen haben.

15. VIII. 15

[...] Ich habe mir im Haus neben dem Quartier ein Zimmer gemietet, um in den freien
Stunden arbeiten zu können. Die Frau hat die stille Güte jener Wesen, die den Tod in sich
tragen. Ein Mensch neben Larven.

19. VIII. 15

Morgens 6 Uhr Antreten zum Ausrücken. Exerzieren auf dem Schützenplatz, der eine Aussicht
aufs Wiese- und Rheintal bietet. Die duftige Zartheit der frühen Morgenstunde erfüllte
mich, aber schon schrie es wieder: "Gewehr auf!". "Gewehr ab!", und tötete das erste neue
Leben, das mich hier erfüllte, so daß mir den ganzen Tag ein bitterer Schmerz mitging. [...]

22. VIII. 15

[...] Meine "Eidgenossen" feierten diesen denkwürdigen Tag mit einem Spaziergang ins
Markgräflerland zu einem guten Schoppen Wein. Der Weg führte quer über den Tüllinger
Hügelrücken, auf dessen Höhe, der sogenannten Luke(!). sich ein fesselnder Blick ins
Kandertal bot. Da es mir unter dem zerdrückenden Gewicht des Erlebten nicht gelingen
wollte, das Schweben zwischen den starken Kontrasten der blauen Schwarzwaldberge und
des lichten Rheintals in mir festzuhalten, verweilte ich länger. Als ich mich wieder zur
Korporalschaft gefunden hatte, saßen recht zweifelhafte Weiber bei ihnen, und es war ein

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