http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1992-02/0130
Im Vorfrühling, wenn die Scheibenfeuer auf den Bergen lodern, wurde bis vor kurzem am
Abend des ersten Fastensonntags "Invocavit" auch hier oben ein Feuer abgebrannt, und
glühende Scheiben flogen talwärts, wie es seit alters her Brauch ist im Markgräflerland und
anderswo im alemannischen Sprachgebiet. Dieses alte Brauchtum auf dem "Hagschutz" von
Niedereggenen sollte man in die Beurteilung der Geschichte dieses Berges mit einbeziehen.
Vor wenigen Jahren erst wurde der Brandplatz für das Feuer von der Anhöhe weg,
hangabwärts unterhalb des Waldes zum Dorfe hin. verlegt, dann aber auf den "Kapf",
oberhalb der Kirche. In trockenen Jahren war wohl die Brandgefahr für den Wald und das
Unterholz zu groß geworden. Auch bereitete das Herrichten des "Schiibefüürs" auf dem
zugewachsenen Berg alljährlich gewisse Schwierigkeiten, so daß es sicher genug Gründe für
eine Verlegung des Feuers gab. Diese sind für uns ohne Belang. Sicher scheint jedoch, daß
hier in Niedereggenen infolge dieser Verlegung mit einer sehr alten Tradition an diesem Platz
gebrochen wurde. Schon etwa seit Mitte unseres Jahrhunderts kam es mancherorts, und
sicher aus ganz unterschiedlichen Gründen, zu Änderungen im Ablauf althergebrachter
Bräuche, und zwar nicht allein durch Verlegen des Feuerplatzes. Auch der traditionelle
Termin am "Schiibesunntig" mit der Bauemfasnacht steht da und dort zur Disposition und
wird kurzerhand auf einen anderen Abend verlegt. Hierbei zeigt sich, wie altes Brauchtum
einem Wandel unterliegt, wenn Gefühl oder Verständnis für den Sinn und Zweck verloren
sind. Heute als Spiel mit Feuer und glühenden Scheiben zur Austreibung des Winters
gedacht, ohne daß daran noch jemand glaubt, könnten früher profane Zwecke, wie zum
Beispiel Signalfeuer, Waffenschau oder Abfallbeseitigung und mancherlei apotropäische
Glaubensvorstellungen, wie Abwehr böser Geister, Winteraustreibung oder Initiationsriten
dem Fest Sinn und Bedeutung aus unterschiedlichen Gründen verliehen haben. Das Herkommen
und das Alter unseres Brauchtums kennt heute niemand mehr. In Quellen des späteren
Mittelalters scheint es nur indirekte Hinweise auf Feuerstellen, Scheibenschlagen oder
Feuerräder zu geben, am ehesten über Flurnamen. Nach der Reformationszeit folgten die
Verbote aller heidnischen Fasnachtsbräuche. Nur die Scheibenfeuer blieben in manchen
evangelischen Herrschaftsbereichen erhalten, so auch im Markgräflerland.7' (Abb. 10)
Auf der "Hagschutzhöhe" treffen wir auf einen jener uralten Feuerplätze, die durch ihre
beherrschende Lage auf höchster Stelle unweit des Dorfes ausgezeichnet sind und die ihren
Standort über größere Zeiträume hinweg kaum wesentlich verändern konnten. Durch die
Steilhänge ist die Fläche nach drei Seiten hin begrenzt. Mit dem jüngst aufgegebenen
ehemaligen Feuerplatz von Niedereggenen bietet sich nun Gelegenheit für den Versuch, der
volkskundlich interessanten Frage nach dem Alter solcher Feuerstellen mit den Mitteln der
archäologischen Hilfswissenschaften auf den Grund zu gehen. Bei einer Grabung auf der
alten Feuerstelle müßten tiefer liegende Ascheschichten zu Tage treten, deren unterste Lagen
durch die Radiocarbon-Datierungsmethode mit dem Kohlenstoff-IsotopuC zu einer Altersbestimmung
für die ersten Feuer führen könnte. Es gibt außerdem auch Hinweise darauf,
daß im näheren Umkreis der Feuerstelle mit urgeschichtlichen Befunden gerechnet werden
kann.
Auf die Ergebnisse einer derartigen Ausgrabung darf man gespannt sein. Wann brannten
hier oben erstmals größere Feuer auf dieser Stelle? Liegen da überhaupt noch alte, frühe
Ascheschichten? Was liegt unter dieser Asche und den Holzkohleresten? Gibt es Bezüge
oder-gar einen zeitlichen Zusammenhang mit den alten Siedlungen, die auf dem Berg immer
wieder oder auch über längere Zeit hinweg Bestand hatten oder in einem Schadenfeuer
endeten? Waren es vielleicht einfach Signalfeuer, deren Reisighaufen unweit der Siedlung im
Spätwinter niedergebrannt und erneuert werden mußten? Wurden alte Siedlungsreste abplaniert
, bevor die Feuerstöße aufgerichtet wurden? Gab es vielleicht doch auch kultische
Hintergründe für diese Feuer? Die hiermit angesprochenen Fragen sind von archäologischer
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