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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
54.1992, Heft 2.1992
Seite: 160
(PDF, 34 MB)
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Wochen bringen nicht viel, im Gegenteil, die Menschen dekonzentrieren sich und finden sich
in den fernen und eben ganz andersartigen Welten überstrapaziert und nicht mehr zurecht.
Mitunter ein Glück, daß die Verschiedenheiten der Sprachen in solchen Extremfällen eine
Realisation von Städtepartnerschaften in allzu weiten Fernen zu Grabe tragen, bevor sie die
Allgemeinheit beschäftigen und unwillkürlich die Frage nach einem 'Was bringt's?' nach sich
ziehen, so daß auch andere, bisherige, ein bißchen erfreulichere und 'apartere' Partnerschaften
darunter zu leiden hätten. Was jedoch realiter importiert und exportiert wird, steht wiederum
auf einem ganz anderen Feld. Das ist dann vorab eine Angelegenheit des Niveaus: ob man die
echte Kultur (falls überhaupt noch vorhanden!) oder ob man die Subkultur (mit allerlei
Zivilisationsschutt und pseudokulturellem Tand und Kinkerlitzchen) ins Auge gefaßt hat -
doch darüber entscheiden die Kommunen und ihre ehrenwerten Vertreter - und keinesfalls der
Normalbürger! Aber wie allerorts und immer wieder in solch öffentlich arrangierten Verschwi-
sterungen (um einmal den Fraternisierungsbegriff zu vermeiden und auch nicht dem Patenschaftsbegriff
anheimzufallen!) pendelt man in erster Linie zwischen Kranzniederlegung und
Folkloristik bis hin zum Karneval der Nationen: und daß jeder jeden überfordert oder
übervorteilt, ist nun einmal ein tüchtiges Nebenprodukt der Demokratie. Cui bono? Für die
Regierenden, es sei denn, sie sägen sich mit ihrem Gepränge selbst den Ast ab, auf dem sie
thronen - doch das Unterholz in der 'Öffentlichen Meinung' ist oft noch dicht genug!

Ohne abschließend ein Fazit in einer Sache ziehen zu wollen, die noch zu jung ist, als daß
sie bereits historisch angesprochen werden könnte, sollte man sich nochmals die Städtebündnisse
, besonders des Mittelalters im weitesten Sinn, vor Augen führen. In erster Linie handelt
es sich, wie wir eingangs betonten, um Schutz- und Trutzbündnisse, ergo eher als militärische
Abwehrsysteme inszeniert denn als Handels- und finanztechnische Interessengemeinschaften,
wobei selbstverständlich das Leben und Lebenlassen der unbedingte Urheber solcher bald
lockerer, bald festerer Zusammenschlüsse war. In den entsprechenden Fachlexika, die freilich
durchweg (noch) kein Stichwort Städtepartnerschaft o.ä. auswerfen, finden sich stets entschieden
mehr Wort- und Begriffszusammensetzungen mit Schutz als mit Trutz. Der Niedergang
des Kaiser- und Königtums, ja überhaupt des Adels, trug freilich dazu bei, daß sich die Städte
aus diesen und jenen gemeinsamen Interessen - oder aber, um einen Konkurrenzkampf von
vornherein zu reglementieren - bald detailliert im Duo- und Triosystem, bald aber auch aus
regionalen oder gemeinsamen dynastischen Gründen eher und mehr zusammenschlössen: was
bislang meist nur einzeln, etwa in Gegenwehr oder Gleichberechtigung zur vorhandenen
Herrschaft, geschah, wird jetzt geradezu zur Regel. Es würde zu weit führen, in diesem
Zusammenhang die Ablösung verschiedener Ordnungen, vorab des Stände- und Zunftwesens,
zu verfolgen, allerdings soll aber nochmals daraufhingewiesen werden, daß die Französische
Revolution vor allem mentalitätsmäßig die Miturheberin jener Städtebünde sein dürfte, die sich
vom rein Militärischen und Kommerziellen lösten, im 19. Jahrhundert allerdings zum Teil ins
Ancien regime zurückfielen und im 20. Jahrhundert häufig von den Diktaturen und Weltmachtsgelüsten
mißbraucht wurden. Sprechen wir weder von neuer Aufklärung und auch nicht
von der unbedingten Selbstbefreiung der Bürger, aber berücksichtigen wir nach dem Ende des
Zweiten Weltkriegs und nach einigermaßen 'friedensmäßiger Etablierung' gerade im mittel-
und westeuropäischen Raum den berechtigt weitverbreiteten Willen nach Freundschaft und
gegenseitiger Einzel- und Völkerverständigung über die Grenzen und hin zu den einstigen
Gegnern (primär gilt dies für das deutsch-französische Verhältnis). Demnach wäre - in den
positiven Fällen der Städtepartnerschaft (wie sie ja prinzipiell durchaus möglich ist, auch wenn
sie immer wieder von oben aufgezeigten und noch andern Gefahren bedroht sein wird) - eine
dritte Stufe insofern denkbar, als sie der Erhaltung des Friedens und dem gegenseitigen
Sichachten und Sichkennenlernen, und nicht dem Schutz und Trutz' dienlich sein sollte.
Inwiefern das zu realisieren oder Utopie bleiben muß. wird sich weisen, allerdings mit
nochmals andern Partnerschaften (in der Postmodeme?) als den heutigen.

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