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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
54.1992, Heft 2.1992
Seite: 166
(PDF, 34 MB)
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da wächst und geerntet wird: sich selbst stellt er als Besucher dar. der leibhaftig auftritt und
in Augenschein nimmt, was es zu sehen gibt an Altem und Neuem - alt ist z. B. der Staub auf
der Bibel, was er nicht loben kann, wo doch der Roman auf der Kommode nicht bestaubt ist!

- Und an Hitzig schreibt er von dem Besuch im Röttelner Pfarrhaus, wo er den Gastgeber aus
dessen behaglichem grünem Lehnstuhl verdrängt und sich von Frau Hitzig, die nur die
"Daube" heißt, verwöhnen läßt. D.h. er faßt die Briefe an die. die ihm teuer sind, so ab. daß
diese beim Lesen die Empfindung haben dürfen, er sitze persönlich in ihrem Kreis und sie
hörten seine Stimme. Und doch erscheint der briefliche Besucher Gustaves in Weil in seinem
Auftreten und in seinen Worten anders als der Gast der Hitzigs - hier und dort etwas von
Theater, auf welchem "aufgeführt" wird: vor Gustave führt der Briefschreiber Hebel sich auf
und vor Hitzigs tut ers. aber gerade nicht so wie vor jener.

Vollends das Maskenspiel in den frühen Briefen an das junge Ehepaar Haufe in Straßburg!
Gottfried und seine Sophie haben es übernommen, dem Straßburger Kupferstecher Zyx
Aufträge für die Illustrationen der Alemannischen Gedichte zu übermitteln, die in neuer
Auflage herauskommen sollen. Daraufhin ernennt Hebel Sophie zu seinem Minister,
nobilitiert auch Gottfried und rückt selbst zum Wild- und Rheingraf von Caub und
Aßmannshausen und schließlich zu königlichem Rang auf. um seine Briefe mit "Peter L"
oder "Don Pedro" zu unterschreiben. Liest man diese persönlichen Zeugnisse von Hebels
unphiliströser Mummerei, so wundert es einen nicht mehr, in den Geschichten vom
Zundelfrieder. Zundelheiner und roten Dieter auf die vielen Beispiele von deren Verstellung
und Vermummung und "Versteckeries" zu stoßen. So darauf, daß der Zundelfrieder (dem des
Hausfreunds besondere Gunst gilt) einen Taschendieb ertappt hat. der einem Dritten die
silberne Tabaksdose entwendet hatte, daß er demselben erklärt hat, diese Dose gehöre seinem

- Frieders - Herrn Schwager, und wehe, wenn er sie ihm nicht sofort aushändige! "Me cha
allerlei Gspäßli mache", heißt es in einem Brief; auch der Frieder macht eines, nachdem der
Ertappte ihm das Diebesgut zitternd ausgehändigt hat: mit der Mahnung "Ehrlich währt am
längsten" läßt er ihn laufen, um seinerseits die kostbare Dose beim nächsten Goldschmied
zu verhökern. Ein anderes Gspäßli leistet sich der Zundelheiner, als seine Kumpane Frieder
und roter Dieter einen Versuch mit der Rückkehr ins ehrliche Leben machen und ihn sitzen
lassen: niemandem ist mehr zu trauen, "und wenn man meint, es sei einer noch so ehrlich,
so ist er ein Spitzbub"!

Soviel zur Mummerei. Hebel tut nichts lieber als seine Figuren Rollen annehmen. Rollen
tauschen zu lassen, und er selbst hält es ebenso, auch als Kalendermacher: der "Rheinländische
Hausfreund" ist selbst eine Rolle, die des landauf landab Reisenden, der sich in der Welt
umgetan hat. um nun im "Wilden Mann" einzukehren und die Runde aufmerksamer Zuhörer
um sich zu versammeln, zu belehren und mit lustigen Geschichten zu unterhalten. - Die
Proteuserphilosophie wurde schon erwähnt: zwischen Hebels Sympathie für Proteus, den
Gott unendlicher Verwandlung, und seiner Neigung, sich selbst zu vermummen, besteht
offenbar eine Beziehung. Und auch darum und nicht nur weil er für sich behält, was der Leser
seiner Briefe nicht notwendig wissen muß. sollten wir sehr vieles, was in diesen steht, für nur
eine Seite der Medaille halten.

Jene "Gspäßli" bestehen zu einem guten Teil in Sprachspielereien, die sich nicht nur im
"Wörterbuch" und im "Allmanach" des Proteus finden, sondern abermals in den Briefen. Ein
berühmtes Buch des Basler Ratsschreibers Isaac Iselin hat den Titel "Ephemeriden der
Menschheit": daraus macht Hebel "Hemeroiden der Menschheit". In der Lörracher Zeit hat
er mit Hitzig den Belchen bestiegen (damals gab es noch keine Schwarzwaldvereins-
Höhenwege und auf dem Gipfel keine Einkehrmöglichkeit). In einem Dorf, durch das die
Wanderer kamen, wurden sie für Viehhändler gehalten, die Ochsen kaufen wollten - ein

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