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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
54.1992, Heft 2.1992
Seite: 172
(PDF, 34 MB)
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Seine Neigung galt ihr, und doch hat er sie nicht geheiratet - vielleicht auch weil sie ihm zu
humorlos war und die Gspäßli in seinen Briefen (und im Gespräch) mißverstand und
säuerlich quittierte (in einem Brief nimmt er Anstoß an ihrem "Sauerampfergesicht").- Eine
andere Frau, für die er sich lebhaft interessierte, war die berühmte Schauspielerin und
Rezitatorin Henriette Hendel: als Hebel um die Fünfzig war. erschien sie mehrfach zu
Gastspielen in der Badischen Residenz, ließ sich durch ihn ins Alemannische einführen und
trug daraufhin vor großer Gesellschaft seine Mundartgedichte vor, nicht ohne ihm, dem
Herrn Gymnasialdirektor und Kirchenrat, in aller Öffentlichkeit so den Hof zu machen, daß
die Karlsruher Klatschmäuler Stoff übergenug hatten. Er war offenbar bezaubert von ihr
(widmete ihr übrigens sein "Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreunds") - man darf mit
Beziehung darauf von einem "Johannistrieb" sprechen. Aber ganz anders als im Fall
Gustaves teilte er den Freunden das Abenteuer ungeniert mit und ließ sich wegen desselben
von ihnen frotzeln. - Und das ist alles.was wir über das Thema "Hebel und die Frauen"
wissen: eine mit Sicherheit unschuldige gegenseitige Neigung und ein sehr wahrscheinlich
auch unschuldiger Flirt. Und sonst? Er schreibt doch selbst, wie manche Räusche so trinke
man auch mancherlei Liebe! Sollte der den Freuden des Lebens aufgeschlossene Sanguiniker
es unberührt auf 66 Jahre gebracht haben? Es soll ihn ja geben, den ewigen Jüngling; aber
es fällt uns schwer, uns Hebel als solchen vorzustellen. Doch wissen wir zu wenig, um auch
nur eine Vermutung äußern zu dürfen.

Hierzu und zum Schluß eine grundsätzliche Bemerkung. Heuer sind 165 Jahre vergangen
seit Hebels Tod. In all dieser Zeit hat er als Hausfreund belehrend, erbaulich und unterhaltend
gewirkt, hat er Freunde der Lyrik mit seinen Mundartgedichten entzückt, und durch
Jahrzehnte hat er über die Biblischen Erzählungen auf die Glaubensunterweisung in ganz
Baden Einfluß ausgeübt. Und daß Sie hierhergekommen sind, um sich durch mich etwas über
"Hebel - zur Person" erzählen zu lassen, bestätigt, daß er noch immer viele Liebhaber hat.
Von wem das gilt, der verdient das Prädikat "historische Größe". Jacob Burckhardt. dem die
historische Größe so interessant war, daß er sie zu definieren suchte, tat das in negativer
Wendung: "Größe ist, was wir nicht sind". Wir sind - wie Lessings Nathan erklärt -
"Mittelgut", und als solches schulden wir dem, was wir nicht sind. Respekt, besonders wenn
wir zur Person dessen Stellung nehmen, dem wir Größe zubilligen. Dieser Respekt schließt
die kritische Wertung seines Wirkens und Werkes nicht aus. Aber zu einer Charakteristik der
Person und zu einem Urteil über sie ist in erster Linie die Person selbst befugt, und diese ihre
vorzügliche Befugnis haben wir umso mehr zu achten, wenn die Person sich nicht mehr gegen
ein oberflächliches, vorschnelles, unbilliges Urteil verwahren kann. Darum sagte ich: da
Hebel uns so wenig über seine Beziehungen zum andern Geschlecht verrät, daß wir die
Vermutungen, die wir haben mögen, nicht begründen können, dürfen wir dieselben auch
nicht äußern. Auch gilt das nicht nur in diesem Fall, sondern in jedem andern, in dem er sich
in Schweigen hüllt. - Das ist einer der Gründe, die dem Hebel- Biographen die Aufgabe
schwer, wo nicht unlösbar machen; denn die wie immer geartete Beziehung zum andern
Geschlecht gehört nun einmal zum Menschenleben, und wenn der Biograph nicht belegen
kann, wie sein Held es in diesem Punkte gehalten hat - sei es nun höchst liberal, sei es
enthaltsam und asketisch - , dann bleibt sein Werk lückenhaft. Darum habe ich auch das
Biographische nur flüchtig berührt und mich darauf beschränkt, ein Spektrum von Hebels
Existenz zu zeichnen in der Absicht. Ihnen den Menschen nahezubringen, dessen
Lebensemte uns Spätgeborene noch ebenso bezaubert, wie sie unsre Urgroßeltern bezaubert
hat. Was den Punkt betrifft, in dem ich Sie leer ausgehen lassen muß: um zu bemerken, daß
Hebel, um dessen Liebesleben wir nichts wissen, sehr wohl wußte, was die Liebe zum andern
Geschlecht über den Menschen vermag, lesen Sie nur diese drei alemannischen Gedichte:
"Das Hexlein", "Hans und Verene" und "Die glückliche Frau"!

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