Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
54.1992, Heft 2.1992
Seite: 179
(PDF, 34 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1992-02/0181
Nach dem Militärdienst, zur Zeit des Algerienkriegs, wird er 1960 als Assistent an die
Straßburger Universität berufen. Es folgt dann die normale Laufbahn eines talentierten und
tüchtigen elsässischen Germanisten: 1973: These de doctorat d'Etat (Habilitation) über Georg
Trakl. Finck wird zum französischen Trakl-Spezialisten. Zur Zeit ist er Vorsitzender des
"Internationalen Trakl-Forums" in Salzburg.

Seit 1974 ist er ordentlicher Professor an der Straßburger "Universite des sciences
humaines". Er verfaßt zahlreiche literaturwissenschaftliche Arbeiten zur deutschen Literatur
von Hölderlin zu Thomas Bernhard.

Das war die dritte Etappe im Leben Adrien Fincks. die in ihrem letzten Abschnitt bereits
die vierte und wichtigste initiierte.

Die elsässischen siebziger Jahre, das Erwachen aus der Anästhesie, das plötzliche
Bewußtwerden, die ökologisch-kulturelle Rebellion von Marckolsheim und Wyhl: Adrien
Finck und Raymond Matzen stoßen als einzige Professoren aus dem Universitätskollegium
zu den neuen Rebellen. Und hier beginnt der schwierige und mutige Weg des Adrien Finck
durch das sprachlich-kulturelle "Trümmerfeld", rettend was noch zu retten ist, abstützend,
was einzustürzen droht. Vorlesungen zur elsässischen Literatur werden eingeführt, die erste
.Anthologie deutsch- und dialektsprachiger Dichtung wird von Finck bei Olms herausgegeben
. Ein Tabu ist gebrochen.

Daß es uns noch gibt, grenzt an ein Wunder. Daß es uns noch gelingt, nach tausend
Rückschlägen immer wieder auf die Beine zu kommen und aufrecht zu gehen, grenzt an ein
Wunder. Daß wir zwischen den massigen, schwarzdräuenden Wolkenschichten den Spalt zu
erspähen fähig sind, durch den die Sonne hervorbrechen wird, grenzt an ein Wunder. Und in
unseren Träumen sehen wir wieder den Herrn Mond und die Madame la Lüne händchenhaltend
durch den elsässischen Nachthimmel ziehen.

Wir sind halt zu unverbesserlichen Surrealisten geworden. Ist nun unser Surrealismus eine
Droge oder die Wahrnehmung einer kommen müssenden Realität? Einer herbeigesehnten,
herbeigebeteten. herbeigeschriebenen, herbeigeschrienen zukünftigen Realität?

Wir haben schon lange das Lamento den alten Generationen überlassen. Wir trauern nicht
einem verlorenen Paradies nach. Wir hauen uns einfach mit der Machete des Wortes und des
Geistes neue Pfade durch den Dschungel. Kann sein, daß wir einmal mehr an eine Mauer
stoßen. Dann werfen wir unsere Schlingpflanzen, daß sie Risse in die Mauer sprengen. Wenn
sie dann einstürzt, steigen wir drüber. Nur Geduld muß man haben.

Wo haben wir diese Hoffnung her? Wo holen w ir uns die Zuversicht und die Ausdauer her?

Bei Rene Schickele. Er hatte diesen Weg vorgezeichnet, den elsässischen Weg. der
Französisches und Deutsches in eine Harmonie einbindet. Er hatte die Wegweiser gestellt.
Wir hätten das schon vor vierzig Jahren wissen sollen. Doch damals waren wir mit Blindheit
geschlagen, und wir brachten nicht den Mut auf zur Dissidenz. Madame la Lüne hätte da ihre
Augenbrauen mißbilligend hochgezogen.

Und hatte man Rene Schickele nicht zu einem Autonomisten, ergo Separatisten abgestempelt
, einem echten Patrioten ein Greuel?

Dann kam Adrien Finck und sagte zu den Elsässern: Habt doch keine Berührungsängste.
Denn so ist es nicht. Und er befreite den zu Unrecht verfemten und stellte ihn ins Licht, in
einer konsequenten Enttabuisierung: 2 Kolloquien, mehrere Vorträge und Publikationen.

Pazifist und Europäer, frankophil und germanophil. modern und progressiv, kein Nostal-
giker also: So sähe unsere Zukunft aus. sagte Finck.

Und von dieser Basis ausgehend versuchten wir, ein neues Konzept auszudenken, einen
neuen elsässischen Humanismus, den wir die "Kultur des Zusammenlebens" nennen.

Seine, Adrien Fincks, Gegenwart war aber alles andere als bequem. Er scherte sich jedoch
nicht um die intellektuellen Betonköpfe und die provinziellen Kleingeister, die leisen.

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