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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
55.1993, Heft 2.1993
Seite: 83
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1993-02/0085
mich unterhielt, als ein Polizeidiener atemlos hereinstürzte und mir die Meldung machte, daß
in dem Hause der Witwe - an deren Namen ich mich nicht mehr erinnere - ein Mord verübt
worden sei.

Während ich mich eiligst auf den Schauplatz des Verbrechens begab, ließ ich den Aktuar,
die Gerichtsärzte und die Gendarmerie herbeirufen, um die Untersuchung sofort einzuleiten
und die den Umständen gemäßen Anordnungen treffen zu können.

Viele Leute aus der Nachbarschaft umstanden das Haus, von wo sie Hilferufe vernommen
hatten. Mit brennenden Lichtern und Laternen waren sie herbeigeeilt, denn die Nacht war sehr
finster, und es fehlte an einer Straßenbeleuchtung.

Niemand war aber noch in das Innere des Hauses eingedrungen, die Haustüre war zwar
geöffnet, aber auf der Schw elle lag das Dienstmädchen mit Blut überströmt, noch lebend, doch
unfähig, sich zu erheben oder zu sprechen. Der Blick ihrer weitgeöffneten, auf mich gerichteten
Augen zeigte, daß sie mich erkenne, und die Bewegung ihrer Lippen ließ mich vermuten, daß
sie mir den Namen des Mörders nennen wolle.

Ich beugte mich zu ihr nieder, hielt mein Ohr an ihren Mund, und obgleich ihre Lippen sich
noch immer bewegten, brachte sie doch keinen verständlichen Laut mehr hervor, ich vermochte
nichts zu vernehmen als den letzten Hauch ihres entfliehenden Lebens.

Im Hause war alles still, nur vom Speicher herab hörte man das heftige Gebell eines Hundes,
der sich wahrscheinlich in der Angst vor dem nächtlichen Überfall dorthin geflüchtet hatte.

In der dunklen Wohnstube fand ich auf dem Boden in einer Blutlache liegend die Leiche der
alten Witwe. Sie hatte mit dem Dienstmädchen das Haus allein bewohnt.

Außer der auf dem Boden liegenden umgestürzten und ausgelöschten Lampe war nichts
Auffallendes wahrzunehmen, alle Schränke und sonstigen Behälter waren unverletzt und
keinerlei Spuren eines Raubes wahrnehmbar. Dagegen fand man, als die Leiche aufgehoben
wurde, um sie auf ein Bett in der Nebenkammer zu verbringen, unter derselben eine Kappe, die
ich auf den ersten Blick als diejenige erkannte, die mir am Morgen an dem Buchbinder
aufgefallen war.

Meinen Verdacht bei mir behaltend, gab ich einem Polizeibediensteten, während die
Inspektion der Leichen vorgenommen wurde, den vertraulichen Auftrag, mit Vermeidung
jedes Aufsehens nach Willin sich zu erkundigen und mir seinen Aufenthalt anzuzeigen. Mein
Verdacht ward halb bestätigt. Nach einer halben Stunde erhielt ich die Meldung, daß der
Gesuchte nirgends zu finden sei. er habe seine Familie nach Eintritt der Nacht verlassen, um
wie gewöhnlich seine Abendgesellschaft zu besuchen; dort habe er sich aber nicht eingefunden,
dagegen seien der von ihm mitgenommene Stock und seine Laterne hinter seinem Scheuertor
aufgefunden worden.

Noch in der gleichen Nacht wurden die Fahndungsschreiben abgelassen, die Grenzüberwachung
zur Festlegung sämtlicher Schiffe angewiesen, am andern Morgen eine allgemeine
Streife durch den ganzen Bezirk angeordnet, und am zweiten Tage wurde der Flüchtling in
einem Rebberge festgenommen.

Er war, als man ihn auf Umwegen, um der Volksjustiz zu entgehen, in das Amtsgefängnis
brachte, durch Frost. Hunger und Ermüdung wie durch das Gefühl seiner Schuld physisch und
moralisch so niedergedrückt, daß er in dem mit ihm sofort vorgenommenen Verhöre die Tat
vollständig und umständlich bekannte.

Von Gläubigern gedrängt - so erzählte er - hatte er lange durch verschiedene Ausflüchte
die versprochene Zahlung hinauszuschieben vermocht, länger war ihm dies aber nicht möglich,
es drohten ihm gerichtliche Klagen, und ebenso die Furcht, das bisher genossene Ansehen
in der Gemeinde als Haus und Hof im Zwangswege zu verlieren, brachten ihn zu dem
Entschlüsse, auf irgend eine Weise, und sei es auch durch ein Verbrechen, sich Geld zu
verschaffen.

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