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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
55.1993, Heft 2.1993
Seite: 84
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1993-02/0086
Wie er so eines Morgens an seinem Arbeitstische am Fenster sitzend träumerisch durch
dasselbe blickte, die Sache sich überlegend, da hefteten sich seine Gedanken auf das ihm
gegenüberliegende Haus. Es war klein, unansehnlich, hatte nur ein Stockwerk zu ebener Erde,
es lag etwas rückwärts in der stillen Nebenstraße; dort wohnte eine alte, reiche Witwe ganz
allein mit ihrer Magd. In dunkler Nacht konnte man da leicht eindringen, ohne bemerkt zu
werden: die Überwältigung der beiden Personen war für den starken Mann keine schwere
Aufgabe, und Geld mußte er da finden, mehr als er brauchte.

Dies waren seine Gedanken, die bei ihm zum Entschlüsse reiften.

Nach Eintritt der Nacht verließ er wie gewöhnlich seine Familie, um sich in eine Weinstube
zu begeben: er hoffte, nach vollbrachter Tat sich noch rechtzeitig dort einzufinden und jeden
Verdacht von sich ferne zu halten.

Eines der scharfen, spitzigen Messer, wie er solche zu seinem Gewerbe brauchte, hatte er zu
sich gesteckt, die ausgelöschte Laterne und seinen Stock hinter das Einfahrtstor gestellt. Die
Straße w ar menschenleer, die Nacht sehr dunkel, alles zu seinem Vorhaben günstig, und leisen
Schrittes eilte er hinüber zu dem Hause der Witwe. Der Lichtstrahl durch den Fensterladen
zeigte, daß sie noch nicht zur Ruhe gegangen.

Das Messer in der rechten Hand, klopfte er an die Haustüre, es erschien Licht der Riegel wurde
zurückgeschoben und das über den Anblick des hereindringenden Nachbars vor Angst aufschreiende
Mädchen mit einem Messerstich zu Boden gestoßen. Das Licht war erloschen und fühlte er sich mit
der Hand in dem Hausgange fort bis zur Stubentüre, die er rasch öffnete. Die Witwe, die Lampe in der
Hand haltend, war im Begriffe, nach der Lrsache des Geschreies und Gepolters im Hausgange zu sehen,
als sie von dem auf sie zuspringenden Manne niedergestoßen wurde.

Die Lampe war zu Boden gefallen, es herrschte nun auch in der Stube vollkommene
Finsternis. Der Hund der Witwe ließ sich von der Speichertreppe laut kläffend vernehmen, und
der Mörder hörte auch die an der Türschwelle liegende Magd um Hilfe rufen.

Nun folgte eine scheußliche Szene. Während Willin sich bemühte, durch wiederholte Stiche
in den Körper der Magd diese vollends zu töten, hatte die Frau in der Stube sich erhoben und
schrie auch um Hilfe. Der Mörder sprang in die Stube zurück, suchte und fand endlich in der
Dunkelheit die alte Frau, die sich zur Wehr setzte, da hörte er wieder das Jammern und
Hilferufen der Magd, und wie ein nach Blut lechzendes Raubtier, sprang er von einem
Schlachtopfer zum andern, blindlings mit dem Messer zustoßend, bis beide verstummten.

Bei dem Ringen mit der Witwe war ihm die Kappe entfallen, er konnte sie nicht finden, denn
sie lag unter dem Körper der Ermordeten.

Seines Bleibens an dem Orte war keine Möglichkeit mehr, schon hörte man die Fensterläden
der Nachbarhäuser sich öffnen und Leute herbeikommen: er mußte eiligst durch die Flucht sich
zu retten suchen, wozu ihm auch die herrschende Dunkelheit behilflich war.

So reumütig er im ersten Verhöre schien, so roh und leidenschaftlich aufgeregt zeigte er sich
im Verlaufe der Untersuchung. Er gab sein Leben nicht verloren, er hatte Hoffnung, aus dem
Gefängnisse zu entkommen, und es wäre ihm dies auch wirklich gelungen, wenn nicht gewisse
Personen - deren Namen zu nennen ich Anstand nehme - seine Flucht vereitelt hätten.

Einige Stunden vor der beabsichtigten Flucht und nach bereits geschlossener Untersuchung
wurde mir ein von dem Gefangenen mit Bleistift geschriebener Zettel überbracht, in welchem
er den Adressaten benachrichtigte, daß alles zu seiner Flucht vorbereitet sei. Er werde - schrieb
er - abends das Gefängnis verlassen, den von ihm bezeichneten Weg ins Freie einschlagen, und
in das erste Gebüsch solle man ihm Kleider und Geld niederlegen.

Ohne Mitwissen und Begünstigung des Gefängniswärters konnte nach meiner Ansicht die
beabsichtigte Flucht nicht ausgeführt werden. Der Verbrecher war in einer festen Zelle sicher
untergebracht, die vergitterten Fenster über Mannshöhe vom Boden entfernt und starke Ketten
ihm um Hände und Füße gelegt.

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