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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
55.1993, Heft 2.1993
Seite: 109
(PDF, 31 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1993-02/0111
Die besondere Stellung der Arbeiter dieses Unternehmens war also wie folgt bestimmt: Mit
der Aktienbeteiligung warder Belegschaft zunächst die Möglichkeit gegeben, die Betriebspolitik
in der Aktionärsversammlung mitzugestalten. Diese innerbetriebliche Mitbestimmung wurde
weiter dadurch verstärkt, daß nach den Statuten mindestens ein Arbeiter Mitglied im Aufsichtsrat
als leitendem Organ der Fabrik sein sollte17'.

In den Statuten wurde weiter festgelegt, wie die einzelnen Arbeiter an dem Gewinn
partizipieren konnten. Grundsätzlich bekamen sie ihren normalen Arbeitslohn. Die Arbeiter,
die nun Aktionäre geworden waren, erhielten zusätzlich ihre Jahresdividende, die so festgelegt
wurde, daß noch ein Teil des Jahresgewinns übrigblieb. Dieser überschüssige Jahresgewinn
sollte folgendermaßen aufgeteilt werden:

a) zu einem Drittel unter alle Arbeiter, also nicht nur an die Aktionäre.

b) zu einem Drittel in einen Reserve-Fonds für wirtschaftlich schlechte Jahre und

c) zu einem Drittel für die Arbeit der Pilgermission St. Chrischona18'.

Es bestanden also für die Arbeiter verschiedene Möglichkeiten, neben ihrem laufenden Lohn
an dem "Mehrwert" Anteil zu bekommen, der nach marxistischer Lehre den Arbeitern
vorenthalten und auf die Kapitalisten verteilt wurde. Gegenüber den Vorstellungen einer
"republikanischen Fabrik", wie Mez sie im Landtag vorgeschlagen hatte, war dieses Modell
gewiß nur ein erster Schritt. Aber es war ein Schritt auf dem Weg. die Kluft zwischen den
Arbeitern und Unternehmern nicht weiter aufzureißen, sondern sie zu überbrücken. Als Mez
sein Modell auf einem Kongreß der Kathedersozialisten in Eisenach vorstellte, wurde es als
Zeichen positiv angenommen.

Schließlich möchte ich noch eingehen auf das schon in den Statuten festgelegte Drittel, das
vom Reingewinn der Fabrik nach St. Chrischona fließen sollte. Was sollte damit zum Ausdruck
gebracht werden?

1. Die "Bundesfabrik" sollte ein christliches Modell für die Arbeiterfrage sein, "recht
eigentlich Sache der Inneren Mission", wie Mez es formulierte. Der Anteil, den die Pilgermission
erhielt, sollte ein Zeichen dafür sein.

2. Für Mez selbst war es keine Frage, daß er von dem. was er verdiente, einen Teil für das
Reich Gottes weitergab. Die am Gewinn beteiligten Arbeiter dieser Fabrik sollten von Anfang
an an diese Gewohnheit herangeführt werden. Stand die "brüderliche Association", an der sie
teilhatten, unter der "Herrschaft Christi", dann sollten sie von dieser christlichen Grundlage
nicht nur profitieren, sondern sie auch in dieser Weise unterstützen. Die "Bundesfabrik" war
kein "evangelistisches Unternehmen" im strengen Sinn des Wortes, aber die beteiligten
Arbeiter konnten und sollten doch an für Mez wichtige Elemente christlichen Lebens herangeführt
werden.

Leider muß aber von einem wenig erfolgreichen Ende der Bundesfabrik berichtet werden.
Nach siebenjährigem Bestehen mußte sie - aus Gründen, welche die dürftige Quellenlage nicht
mehr genau rekonstruieren läßt - Konkurs anmelden. Dabei zeigte sich allerdings noch einmal
die arbeiterfreundliche Haltung von Carl Mez bzw. seinen Söhnen, die nach seinem Tod in
seinem Sinn das Mezsche Unternehmen fortführten. Die Verbindlichkeiten der Fabrik wurden
von der Stammfirma Mez in voller Höhe übernommen, so daß keiner der Kleinaktionäre in den
wirtschaftlichen Ruin getrieben wurde.

Daß das Modell der "Bundesfabrik" nicht die einzige - zu guter Letzt düster endende -
Initiative war. möchte ich zum Schluß zeigen, indem ich die Konzeption seines gesamten
Unternehmens skizziere, das bei seinem Tod etwa 1200 Arbeiter beschäftigte.

Mez war sich bewußt geworden, daß viele Nöte, die im Zusammenhang der Industrialisierung
entstanden waren, damit zusammenhingen, daß immer mehr - meist junge Leute - vom flachen
Land in die entstehenden Industriezentren gezogen wurden und dort zum einen teilweise in
menschenunwürdigen Umständen hausen mußten und zum anderen - aus ihrer bekannten

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