Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
55.1993, Heft 2.1993
Seite: 139
(PDF, 31 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1993-02/0141
Lehrer Gäng

Zum 10. Todestag von Richard Gäng am 10. August 1993
Heinrich Bücheler

In badischen Schulsälen im Unterland und im Mannheimer Raum, in Mittelbaden, in der
Ortenau. im Breisgau und Hochschwarzwald war Richard Gäng nach dem Ersten Weltkrieg
über vier Jahrzehnte eine eindrückliche, vielen Schülern unvergeßlich sich einprägende
Lehrer-Persönlichkeit. Der Krieg hatte den hochgewachsenen, hageren Mann schon als
Neunzehnjährigen fürs Leben gezeichnet. An der Somme wurden ihm ein Oberschenkel
durchschossen, ein Ohr zertrümmert und die Gehirnnerven beschädigt. Den Kopf trug er fortan
immer leicht geneigt, als lausche er stets fernen Stimmen. Ein frühes Foto, aufgenommen wohl
kurz vor der Einberufung zum Militär, zeigt den Jüngling im schwarzen Anzug, den Kopf noch
gerade haltend und mit dunklen, fragenden, suchend in die Ferne gerichteten Augen, die an jene
Franz Kafkas denken lassen. Den Prager Dichter der geheimnisvollen Mächte kannte der junge
Gäng damals sicher nicht. Aber das Dichterische war in ihm schon angelegt. Es sollte ihn später
zu einem Prosawerk befähigen, über das ein Kenner wie Reinhold Schneider urteilte: "Es darf
gewagt werden, an den größten Nachbarn im alemannischen Raum, an Jeremias Gotthelf, zu
erinnern." Hier indes soll nicht so sehr des Erzählers. Lyrikers und Mundartdichters Richard
Gäng gedacht werden, als des Pädagogen, des bedeutenden Lehrers und Erziehers.

In Immeneich im Albtal wurde Richard Gäng kurz vor der Jahrhundertwende geboren, am
21. April 1899. "Dieses Albtal. das zu jeder Jahreszeit unbeschreiblich schön ist. schaute mir
abgrundtief ins Herz. Es hat mich mit Glanz und Sang erfüllt, und von jenen Erinnerungen zehre
ich", bekannte Gäng später. Der Vater war Fuhrhalter und Holzkaufmann im Hauptberuf und
fuhr vierspännig mit seinen Fuhrwerken nach Albbruck: daneben war Roman Gäng auch
Landwirt und in Drittfunktion noch Bürgermeister von Immeneich. Die Mutter war eine
Tochter des Schmiedemeisters: die Immeneicher Schmiede läßt sich zurückverfolgen bis in
den Dreißigjährigen Krieg. Für die Arbeitswelt der Fuhrleute und der Schmiede interessierte
Gäng sich lebenslang. Seine Erzählung "Die Heimfahrt des Andreas Kundin" hat als Hauptgestalt
einen Fuhrmann- und als "Schilderung des vom Unbegreiflichen geschreckten, durch
das Albtal rasenden Viergespanns kaum ihresgleichen" (Reinhold Schneider). - Früh trat der
Tod in Richard Gangs Leben: er war drei Jahre alt. als die Mutter starb. "So hat er den einen
Pol seines Lebens schon sehr früh erfahren: Das Sterben, das Unbehaustsein und unter fremden
Leuten Mitlaufen, das einsame, oft sich selbst überlassene Aufwachsen", vermerkte der Pfarrer
bei Gängs Beerdigung. Neben dem Heimatdorf war der wichtigste Ort dieser Kinderjahre das
mit Immeneich eng verbundene St. Blasien - "Sam Bläsi". wie Gäng es in seinen Mundartgedichten
liebevoll nennt. St. Blasien war damals die beliebte Sommerresidenz des badischen
Großherzogs: dessen Hofhaltung, obzwar bescheiden gehalten, brachte etwas vom Geruch der
"großen, weiten Welt" in die ländliche Abgeschiedenheit. Trotzdem: Die geographische
Abgeschlossenheit des Albtals, welche derjenigen der Ladiner im Grödnertal der Dolomiten
ähnelt, mag auch hier zu gewissen Sonderentwicklungen geführt haben, zum hartnäckigen
Beharren am Hergebrachten, gerade im Sprachlichen, zu Eigenprägungen, auch zu Introvertiertheit
und Versponnenheit.

Gängs Bildungsweg im schulischen Sinne begann in Waldshut. wo er bis 1913 die
Realschule besuchte, und führte dann zur Rotteck - Oberrealschule in Freiburg. Als "Einjähriger
" wurde er 1917 eingezogen, gerade 18 Jahre alt. Auf dem Truppenübungsplatz Hagenau

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