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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
55.1993, Heft 2.1993
Seite: 142
(PDF, 31 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1993-02/0144
Obwohl es die "Heimatkunde" im Lehrplan der badischen Volksschule damals nur im
Zusammenhang mit "Erdkunde" gab. schimmerte sie doch durch alle Fächer, die der Lehrer
Gäng unterrichtete. Wahrhaft passioniert war er in allem, was die Pflege der deutschen Sprache
betraf. In der "Sprachlehre" sollte die deutsche Grammatik den Kindern in einfacher Form
nahegebracht werden. Richard Gäng nutzte dazu auch die Gedichte unserer großen Naturlyriker
. Ein berühmtes Gedicht diente zur Behandlung des Zeitwortes "gehen". Im Schulsaal
zwischen den Bänken auf und ab gehend, erzählte erder Klasse, was er am Sonntag getan hatte:

"Ich ging im Walde so für mich hin.

Und nichts zu suchen, das war mein Sinnn..."

So hatte die Klasse schnell heraus, was für ein eifriger Spaziergänger der Lehrer Gäng doch
war. Häufiger als anderen Lehrkräften schallte es ihm entgegen, wenn er an sonnigen Tagen
das Klassenzimmer betrat:

"Der Himmel ist blau, das Wetter ist schön.
Herr Lehrer, wir wollen spazieren gehn."

Die Klassenausflüge führten dann oft über den "Rinderweg" zur Wallfahrtskapelle Maria
Sand: rechts waren die Getreide-und Rübenfelder der wohlhabenden Bauern, zur Linken
begleitete uns die "Bleiche", gesäumt von Pflaumenbäumen. Der Bleichbach stellte auch die
Badeplätze für die Herbolzheimer Jugend, nach Geschlechtern streng getrennt: im "Fieling" für
die Buben, für die Mädchen am Maria Sand. Der Ausflug konnte aber auch in den Rebberg
gehen, durch den Waldweg oder das Sonnengäßle. Im "Hüttenbühl" waren große Mauern
ungeklärter Herkunft. Ob die sagenhaften "Herren von Heribothesheim" einst hier gewohnt
hatten? Von Zeit zu Zeit versammelte dann Lehrer Gäng die Klasse an einem "Rai", um mit
Kennerschaft den Mikrokosmos einer Pflanze zu erklären. "Im Kleinen die Größe der Welt
sehen", das konnte Richard Gäng tatsächlich wie selten einer. Die Liebe zur Botanik tat sich
auf solchen Klassenausflügen kund, welche ihn dann noch im reiferen Alter das Studium der
Biologie ergreifen ließ.

Mit wahrer Hingabe lehrte Richard Gäng im Fach "Schönschreiben" auch die von dem
Berliner Graphiker Sütterlin geschaffene deutsche Schreibschrift. Ludwig Sütterlin war 1865
in Lahr in Baden geboren. Vielleicht empfand Richard Gäng zu ihm und seiner Schrift, die nach
1933 in Preußen. Sachsen. Hessen. Württemberg und Baden gelehrt wurde, auch eine gewisse
landsmannschaftliche Bindung. Jede Stunde "Schönschreiben", mit Tinte ins Heft, war ein
festliches Ereignis. Es konnte dabei aber auch Tränen geben, wenn einem Schulkind ein
"Dolge" passierte, ein Tintenklecks, der dann behutsam mit dem Löschblatt aufgesogen
werden mußte. - Ebenso wie die deutsche Schrift, so lag Lehrer Gäng auch der deutsche
Wortschatz ganz besonders am Herzen. Er mühte sich unablässig, auf die Bedeutungstiefe und
Schönheit des Deutschen hinzuweisen und die geliebte "Muttersprache" abzugrenzen gegenüber
den eindringenden Fremdwörtern. So schlug er einmal vor. für das Wort "Schal", das vom
englischen "shawl" abgeleitet ist. doch das schönere Wort "Flor" zu gebrauchen. - Heute würde
man Gäng dafür wohl eines übertriebenen Sprachpurismus und der "Deutschtümelei" zeihen.
Indes: Eine billige Konzession an den Zeitgeist war es keineswegs, was Richard Gäng in den
30er Jahren zum engagierten Sprachreiniger machte. Und den Purismus gab es schließlich
schon dreihundert Jahre vor dem Nationalsozialismus.

Wer Richard Gäng näher kannte, stellte fest, daß er im Grunde ein unpolitischer Mensch war.
Aber in den 30er Jahren mußte er als Lehrer zwangsläufig in die NSDAP eintreten. Daß in den
50er Jahren ihm dann deswegen der Hebel-Preis nicht zuerkannt wurde, ist heute nicht mehr
verständlich, da wir inzwischen viel längere "Anpassungen an den Zeitgeist" gewohnt sind.
Und was die Preiswürdigkeit betrifft, so gilt die Feststellung Wilhelm Zentners, daß Gäng. "ein
echter Sproß des urwüchsigen, an Originalen reichen südlichen Schwarzwalds, zu den

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