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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
55.1993, Heft 2.1993
Seite: 144
(PDF, 31 MB)
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gegeben wurden: diese Finger waren dann tagelang blau und geschwollen. Lehrer Gang war
kein Freund körperlicher Züchtigung, viel lieber verteilte er "Fleißzettel", rote und gelbe für
"Fleiß" oder "großen Fleiß". Aber als Klassenlehrer erklärte er sich für Lulu als zuständig und
zog den "Fall" an sich. Nach Schulschluß begab er sich mit dem Delinquenten in den Karzer,
offenbar zur "peinlichen Befragung". Desgleichen noch einmal am nächsten Tag. Am dritten
Tag aber hatte Lulu weder blaue, geschwollene Hände noch Schwierigkeiten mit dem
Sitzfleisch, aber seit längerer Zeit erstmals wieder Strümpfe und Schuhe an den Füßen. An den
Lehrer Gäng zeigte er fortan große Anhänglichkeit, die bis in Gängs letzte Lebensjahre anhielt.

Es kann hier aus eigenem Erleben nur an den Volksschullehrer Richard Gäng der späten
dreißiger Jahre erinnert werden, nicht an den Lehrer im Höheren Schuldienst für Deutsch und
Biologie, was Gäng nach dem Zweiten Weltkrieg noch geworden ist. - Ob und wie weit Gäng
im Schuljahr 1937/38 die zweite Weltkatastrophe des 20. Jahrhunderts vorausgeahnt hat -
zwanzig Jahre nach der ersten, von welcher er gezeichnet blieb - konnte sich damals seinen
knapp zehnjährigen Schülern nicht mitteilen. Daß er aber ein Gespür besaß für alles Dunkle.
Irrationale. Unfaßbare, das in der Menschenwelt mächtig ist. machte später besonders Richard
Gängs Buch "Der unheimliche Mitspieler" (1960) deutlich. "Überall", so heißt es darin, "wirkt
ein Dritter. Ungesehener. Unheimlicher mit. Es ist vielleicht ein Dämon, vielleicht das Unheil,
das Schicksal, der Irrtum..." Obwohl er als Lehrer auch streng, manchmal unduldsam sein
konnte, gilt doch das. was Reinhold Schneider über den Lyriker Gäng sagt, ebenso für den
Lehrer Gäng. In Gängs Gedichten "wird im wesentlichen Friede ausgesagt, nicht Anfechtung-
Hebel wird in Verehrung 'Herzenswirt' genannt: ein solcher möchte auch Richard Gäng sein.
Er will nicht zerrissen sein wie es so viele sein wollen: Bitterkeit ist ihm nicht ins Herz
gedrungen: die Welt, in der er atmet, ist noch nicht zerstört..."

Noch nach einem halben Jahrhundert lebt Richard Gäng in der Erinnerung seiner Schüler im
unteren Breisgau als ein Lehrer, der viel lieber lobte als strafte, dem die stille Harmonie der Welt
wichtiger war als deren Disharmonie und Lärm, dem die Bildung des kindlichen Gemüts
ebenso am Herzen lag wie diejenige des Intellekts. Viele ehemalige Schüler des Lehrers Gäng
würden heute eine Neuausgabe der Werke des Dichters Gäng begrüßen. Denn als Dichter wie
als Lehrer war Richard Gäng ein gebender und wegweisender Mensch.

Literatui-xerzeichnis

Hirtler. Karl J.: "Das Prosawerk von Richard Gäng. Eine Deutung zu seinem 70. Geburtstag". Badische

Heimat. Ekhart Jahrbuch für das Badener Land 1969. S. 103/104.
Kurrus, Karl: "Richard Gäng. Geb. 21.4.1899 Immeneich. Gest. 10.8.1983 Freiburg." Badische

Heimat. Ekhart Jahrbuch für das Badener Land 1984. S. 91/92.
Matt-Willmatt. Brigitte: "Im Kleinen die Größe der Welt sehen. Zum Tode von Schriftsteller Richard

Gäng." Südkurier Konstanz. 15.08.1983.
Oeftering. Wilhelm E.: "Geschichte der Literatur in Baden". Teil III. S. 179. Karlsruhe 1939.
Schneider. Reinhold: Nachwort zu Richard Gäng "De Sunntigmorge." Silberdistel-Reihe Nr. 5/6. Hrsg.

von Prof. Dr. Karl Friedrich Müller. S. 154-157. Lahr 1954.
Zentner. Wilhelm: Einleitung zu Johann Peter Hebel "Alemannische Gedichte": Mit hochdeutscher

Übertragung von Richard Gäng. S. 3-9. Reclam Universal-Bibliothek Nr. 8294. Stuttgart 1960.

Ungedruckte Quelle: Jugenderinnerungen des Verfassers.

Sämtliche Fotos im Besitz von Dr. med. habil. Volker Gäng. Freiburg.

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