Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
55.1993, Heft 2.1993
Seite: 152
(PDF, 31 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1993-02/0154
bewaffnete Hilfe jedes einzelnen Bürgers zur Verteidigung der Stadt erwartet. Auch bei
Feueralarm war der Gebrauch von Beil. Schild und Helm geboten. Aber wer sich bei anderen
Gelegenheiten bewaffnet in der Stadt bewegte, machte sich als potentieller Revolutionär
verdächtig. Befand sich ein Bürger außerhalb der Stadt, wo er zu seinem Schutz Waffen tragen
konnte, mußte er diese nach seiner Rückkehr möglichst schnell ablegen.

Diese befürchteten sozialen Konflikte traten dann nicht in Neuenburg ein. waren aber
dagegen in Freiburg seit Jahren virulent. Dort mußte der Stadtherr wenige Monate nach
Ausstellung des Neuenburger Stadtrechts den Handwerkszünften sowie den Kaufleuten
offiziell Zugang zum Rat gewähren. In Neuenburg hingegen konnten die adligen Geschlechter
die Kaufleute und Handwerker noch einige Jahrzehnte vom politischen Einfluß fernhalten. Mit
der Interpretation eines einzelnen Paragraphen, dessen eigentliche Bedeutung sich nur im
Vergleich mit den Freiburger Ereignissen erschließt, kann also soziales Konfliktpotential in
Neuenburg vor 700 Jahren vermutet werden.

Wenden wir uns abschließend einem weiteren Aspekt der mittelalterlichen Geschichte
dieser Stadt zu, die sich auch im Stadtrecht widerspiegelt. Betrachten wir die Beziehungen des
Stadtherrn, also des deutschen Königs, zur Stadt bzw. die Beziehungen des stadtherrlichen
Vertreters, nämlich des Schultheißen, zur Kommune.

Für die Kommune war der Stadtherr die wichtigste Persönlichkeit, denn er gab der Stadt ihr
Recht. Offizielle verfassungsrechtliche Änderungen waren theoretisch ohne sein Einverständnis
nicht möglich. Für den Herrn war die Stadt eine militärische Bastion, die sein Territorium
schützte. Ebenso halfen die Einwohner durch unterschiedlichste Abgaben, die stadtherrliche
Schatulle zu füllen. Sowohl die militärische als auch die finanzielle Leistungsfähigkeit einer
mittelalterlichen Stadt waren von ihrer Einwohnerzahl abhängig. Je mehr Menschen in einer
Stadt lebten, umso schwieriger war sie anzugreifen und umso mehr Steuern flössen dem
stadtherrlichen Haushalt zu. Deswegen waren die Städter rechtlich besser gestellt als die
Bauern, um die Stadt als Lebensraum attraktiver zu gestalten.

Trotz der großen Bedeutung des Stadtherm finden wir kaum Paragraphen, die das Verhältnis
der Kommune oder einzelner Bürger zum Herrn regeln.

Wie sind die weitgehend fehlenden Bestimmungen betreffend die Beziehungen zum
Stadtherrn zu erklären? Dieses Fehlen wird noch auffälliger, wenn man sich das wenige Monate
später ausgestellte Freiburger Stadtrecht vor Augen führt. Dort werden schon in den ersten
Paragraphen detailliert und ausführlich die Rechte des Stadtherrn gegenüber denen der Stadt
abgegrenzt. Die Ursachen sind in der individuellen Geschichte beider Städte zu suchen. In
Freiburg lagen die Bürger seit langem in ständigem Streit mit den Grafen. Nur mehr oder
weniger gewaltsam konnten den Freiburger Stadtherren, die über der Stadt auf dem Schloßberg
residierten, verfassungsrechtliche Zugeständnisse abgetrotzt werden. Ganz anders war die
Situation in Neuenburg. Der König als Stadtherr weilte nur selten in der Stadt. Oft blieb er
jahrelang fern. Sein Vertreter war der Schultheiß, doch dieser rekrutierte sich aus der
Neuenburger Bürgerschaft. So konnten die Neuenburger sukzessive zahlreiche Änderungen zu
ihren Gunsten einführen, ohne daß dies der König auch nur bemerkte. Da war es natürlich
vorteilhaft, möglichst wenig im Stadtrecht schriftlich festzuhalten. Am deutlichsten wird
dieses gegen die stadtherrliche Kompetenz gerichtete Vorgehen der Stadt beim Schultheißenamt.

Im 13. Jahrhundert war der Neuenburger Schultheiß ein mächtiger Mann. Er war als in der
Stadt ansässiger Vertreter des Stadtherrn die entscheidende politische Persönlichkeit in der
Stadt. Dabei hatte Neuenburg keinerlei Einflußmöglichkeiten auf die Besetzung dieses Amtes.
Der gesamte Rechtssprechungsbereich lag in seinen Händen, und er war nur dem König, nicht
aber der Stadt Rechenschaft schuldig. Er blieb so lange im Amt. bis er vom Stadtherrn ersetzt
wurde. Der jeweilige Amtsinhaber mußte Neuenburger Bürger sein und einen ständigen
Wohnsitz in der Stadt haben. Ein einzelner konnte die ungeheuere Machtfülle dieses Amtes

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