http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1994-01/0072
rische Lebensweise, Reichtum und Gewalt wichtiger wurden und Bürger gegen
Bürger kämpfte, dachte niemand mehr an das Allgemeinwohl. Da begann der Zerfall.
Zum Schluß w urdest du einem Kaiser untenan.
I500Jahre Kaiserherrschaft sind nun schon vorbei. Du hast immer mehr abgenommen
- wie das Mondlicht, das dunkler wird und verlöscht -, so daß jetzt wenig an dir
ist. Wollte Gott, daß du auch - wie der Mond - wieder zunehmen könntest.
VI
Jeder meint, nur dann etwas zu besitzen, wenn eres dem Römischen Reich abbricht.
Das heilige und gelobte Land ist in der Hand der Sarazenen. Die Türken besitzen nun
schon so viel, daß man beim Aufzählen kein Ende fände.
Viele Städte haben sich unabhängig gemacht und erkennen den Kaiser nicht mehr
an. Jeder Fürst reißt dem Reichsadler, dieser alten Gans, eine Feder heraus. So ist
es nicht verwunderlich, daß das Reich nun nackt und gerupft dasteht.
Von jedem neugewählten König verlangt man einerseits neue Rechte, andererseits
aber den Fortbestand der alten Rechte. Bei Gott, ihr Fürsten, seht euch doch an, was
für ein Schaden entstehen kann: Wenn das Reich so herunterkäme, dann würdet auch
ihr nicht ewig bleiben!
VII
Jedes Ding hat mehr Gewicht und Kraft, wenn es fest beieinander bleibt und nicht
zerteilt wird. Nur Einhelligkeit in einer Gemeinschaft fördert deren Entwicklung.
Aber durch Mißhelligkeit und Zwietracht werden auch große Dinge zerstört.
Das deutsche Volk war einst hochgeehrt und erwarb sich solchen Ruhm, daß man
ihm das Kaisertum gab. Aber die Deutschen bemühten sich sehr, ihr eigenes Reich zu
vernichten. Um das Gestüt zu zerstören, bissen sich die Pferde ihre Schwänze
gegenseitig ab. In der Tat stehen jetzt Cerastes und Basilist fest auf ihren Füßen.
Mancher wird sich noch selbst vergiften, indem er schmeichelnd dem Römischen
Reich das Gift reicht.
VIII
Aber ihr, Herren, Könige und Völker des Reichs, ihr dürft solche Schandtaten nicht
zulassen! Ihr sollt dem Reich beistehen, dann kann das Schiff wieder aufrecht fahren!
Ihr habt doch wirklich einen guten König, der euch sicher mit dem Ritterschildfülvt
und alle Länder bezw ingen kann, - wenn ihr ihm helfen wollt: Der edle Fürst
Maximilian ist der römischen Krone würdig. Die Heilige Erde und das Gelobte Land
kommen bestimmt bald in seine Hände. Wenn er euch trauen könnte, würde er jeden
Tag damit beginnen. Gebt deshalb eure Verachtung und euern Spott auf, denn ein
kleines Heer beschützt Gott ganz besonders. Auch wenn wir schon viel verloren
haben, so gibt es doch noch viele christliche Länder.
Fromme Könige, Fürsten, Adlige, Bürgerund einfache Leute - sie können die ganze
Welt beherrschen, wenn sie zusammenhalten in Treue, Frieden und Liebe. Ich hoffe
zu Gott, daß alles gut wird.
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